19/6  Bauboom in Basel

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:27

Mit Staunen und andächtiger Ehrfurcht verfolgen wir in den verschiedenen Medien, wie zielstrebig die grossen Pharmafirmen am Rheinknie ihre Imperien architektonisch aufrüsten. Novartis baut einen Campus auf höchstem Niveau, ein Forschungs-Eldorado mit Hochsicherheits-Standard, für den bis 2012 rund 2 Milliarden Franken investiert werden sollen.

Roche ist dabei, einen Turm von 163 Metern Höhe aufzurichten, das höchste Bürogebäude und Haus der Schweiz, in Form einer verschlungenen Spirale aus Stahl und Glas, 42 Stockwerke hoch. Da stecke kein Konkurenzdenken dahinter, lässt sich Daniel Vasella zitieren, im Gegenteil, die Bauerei unterstreiche die Bedeutung des Forschungsstandortes Basel.

Es ist schön, dass unsere Krankheiten soviel zum Wohlergehen der grossen Unternehmungen beitragen können. Schön auch, dass diese wissen, was sie sich und der Nachwelt schuldig sind und nicht einfach ein paar billige Container hinstellen, in denen sie ihre Leute werklen lassen.

Nicht ohne ein hingebungsvolles Gefühl der Anteilnahme blättere ich im Ordner mit den Korrespondenzen, die ich in den zurückliegenden Jahren mit den Pharmafirmen geführt habe, auf der Suche nach einigen Tausendern, zur Finanzierung unserer Aufklärungsarbeit in der Adipositas-Stiftung, um Broschüren publizieren zu können, um die Miete zu zahlen, die Löhne, die Telefonrechnung und den Webmaster. Es ging jeweils nicht um viel Geld, und ich wurde manchmal den Verdacht nicht los, dass das Verfassen der Begründung, weshalb man leider gerade jetzt meiner Bitte nicht entsprechen könne, mehr gekostet hat als der Betrag, der zur Diskussison stand.

Zum Glück gab es auch andere Unternehmen, städtebaulich vielleicht etwas weniger ambitioniert, dafür pragmatisch und löungsorientiert… – Ihnen haben wir es zu verdanken, dass wir in all den Jahren im Dienste der übergewichtigen Patientinnen und Patienten arbeiten konnten. Auf sie bauen wir unsere Zukunft, etwas weniger hoch, aber nicht weniger solide und verlässlich. Danke.




18/6  Die Regierung re(a)giert

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:13

Japan, las man dieser Tage, rückt den Übergewichtigen rigoros auf den verfetteten Pelz: der fernöstliche Inselstaat hat sich ja schon lange exemplarisch dadurch ausgezeichnet, dass in den Betrieben eine kollektive Fitness-Kultur zelebriert wurde; man sah die Bilder, in denen uniforme Belegschaften in Reih und Glied ein Turnprogramm absolvierten, wie wir es vor bald einem halben Jahrhundert in der Schweizer Armee in Form des ATP (Armee-Turn-Programm) geübt haben. (Und ich erinnere mich, wie ich im Eigental meinen 110 Mann starken Funker- und Telefonistenzug jeweils vom zweiten Stock der Mannschaftsunterkunft aus per Lautsprecher kommandiert und dabei eine Art Gymnästrada-Feeling en miniature erlebt habe… zum Glück gab es damals noch keinen „Blick“, sonst wäre solch militaristische Tollerei direkt schlagzeilenverdächtig gewesen.)

Also die Japaner, las man, haben knallharte Richtlinien herausgegeben betr. maximal tolerierten Bauchumfangs: 85 cm für Männer und 90 für Frauen… und wer diesen Massen bei den jährlichen Messungen künftig nicht (mehr) entspricht, der erhält Auflagen bezüglich Ernährung und Bewegung. Hier mischt sich der Staat direkt ins Leben seiner Bürger und wehrt in gewissem Sinne den Anfängen, mit dem Messband in der Regierungs-Hand.

Die Schweiz agiert da vorsichtiger, aber immerhin! – Es ist dem Bundesrat HOCH anzurechnen, dass er sich über die peinliche Kampagne der scheinliberalen Wirtschafts-Lobby hinweggesetzt und heute beschlossen hat, dass er die erarbeiteten Präventionsprogramme verlängert und neue Ziele setzt bis 2012. Dazu gehört neu auch das Nationale Programm Ernährung und Bewegung, von dem an dieser Stelle schon verschiedentlich die Rede war. Dieser Entscheid wurde von den Gesundheitsorganisationen positiv aufgenommen, weil damit die Grundlage geschaffen ist für ein koordiniertes Handeln auf allen Ebenen des öffentlichen Lebens (wo nötig) und der privaten Eigenverantwortung (wo möglich).

Damit ist der Startschuss gefallen. Jetzt geht es pragmatisch an die Umsetzung, die Arbeit beginnt, die Regierung hat re(a)giert.




17/6  Wie neu geboren

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:52

Das sagen alle, die viel Gewicht verlieren konnten (wobei „verlieren“ nicht unbedingt der richtige Ausdruck ist, denn diesem „Verlust“ ist ein anstrengender und langedauernder Kampf, nicht zuletzt mit sich selber, vorausgegangen). Es sei, als hätten sie ein neues Leben gewonnen, als könnten sie wieder von vorne beginnen, in einer neuen, leichteren Identität. (Später merken sie zwar, dass in ihrem Innern immer noch der alte dicke Adam haust und so funktioniert, als wäre alles noch wie früher…)

Vor allem Menschen reagieren so, die eine Magenoperation hinter sich haben. Die durch massivste Adipositas in einem Zustand waren, den sie nicht mehr als lebenswert empfanden und bei dem auch eine ernsthafte Gefährdung durch akute Erkrankungen bestand. Sie blühen auf, kleiden sich neu ein, zeigen Selbstbewusstsein und Stolz auf das Erreichte… und würden die Operation sofort wieder machen lassen, auch dann, wenn sie mit Komplikationen verbunden war und die Umstellung alles in allem schwer fiel. Aber das „neue Leben“ überwiegt alle Probleme.

An diese physische Wiedergeburt musste ich heute denken, als ich eine Zuschrift bearbeitete, die per E-Mail bei uns eingetroffen war. Jemand bot uns exklusive Informationen über ein neues Wunder-Präparat an, das nicht nur zu Gewichtsverlust führt, sondern auch sonst noch nahezu jeden Krankheitszustand im Körper zu heilen vermag, eine Wohltat für die Menschheit, eine Pille, die eigentlich von Staats wegen an die Bevölkerung abgegeben werden müsste, und dann wären alle kerngesund und man könnte die Spitäler schliessen. Um welches Präparat es sich dabei handelte, das verriet der Schreiber nicht. Er wollte wohl zuerst meine Neugier testen.

Zum Glück gibt es Google, und die Suchmaschine führte mich mit zwei Klicks ans Ziel: ich kannte diese Pillen, man hatte sie uns früher bereits zur Erprobung angeboten, aber da es sich um ein Franchising-Schneeball-Verkaufssystem handelte, hielten wir uns aus Prinzip bedeckt. – Der Schreiber, das war bei dieser Gelegenheit auch zu erfahren, betreibt eine esoterische Naturheilpraxis und nichts liegt mir ferner, als mich über diese Methoden irgendwie lustig zu machen. Ich kenne ehrenwerte Praktiker, die viele Menschen wirklich aus unheilbaren Situationen erlösen konnten, und ich halte es in dieser Sache durchaus mit Hamlet und anerkenne, dass es viele Dinge und Phänomene gibt, gerade im seelischen Bereich, die wir uns mit unserer Schulweisheit nicht erklären können. Umso breiter ist allerdings auch die Einfallsschneise für gnadenlose Scharlatane und Abzocker.

In der genannten Praxis werden verschiedene Therapien und Behandlungsmethoden angeboten, darunter auch Rebirthing, zu deutsch: Wiedergeboren werden. Nun ist dieser Vorgang nicht wörtlich zu nehmen. Die Therapie dient vor allem dazu, Verspannungen zu lösen, mit dem Atmen zu arbeiten, unter anderem den eigenen Geburtsschock nochmals zu erleben um ihn besser verarbeiten zu können… aber als ich das las, zuckte mir der zynische Schalk kurz durch den Kopf: wäre es nicht im wahrsten Sinne des Wortes wunder-bar, wenn wir Dicken uns vertrauensvoll zu einer solchen Rebirthing-Therapie anmelden könnten, um dann – schwuppdiwupp! – als gertenschlanke Wesen neu wieder auf die Welt zu kommen, gefeit gegen jede künftige Form von Übergewicht, vom Fett gereinigt, sozusagen, ganz in der Art, wie man sich früher den Jungbrunnen bildhaft vorgestellt hat, wo auf der einen Seite die alten Hutzelweibchen hineinkletterten, um auf der andern Seite mit prallen, straffen und jungen Körpern wieder den Fluten zu entsteigen, begehrenswert wie einst im Mai!? Das wäre eine wahre Wieder-Geburt.




16/6  Sex sells

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:21

Eine alte Weisheit, neu bewiesen. Forscher haben in einer breit angelegten Studie an der Wirtschaftshochschule Leuven (Belgien) empirisch nachgewiesen, dass Männer (allerdings war keiner der Probanden über 30), nachdem sie Bilder von Frauen in Bikinis oder Unterwäsche gesehen haben, eher Lust auf Schokolade als auf Fruchtsalat verspüren…

Die wissenschaftliche Begründung ist sehr differenziert und sagt sinngemäss aus: nach einer sexuellen/erotischen (optischen) Stimulierung entsteht das unbewusste Verlangen nach sofortiger Ersatzbefriedigung, die sich darin äussert, dass bei einer Auswahlmöglichkeit das „lohnendere“ Objekt gewählt wird, sei das nun ein (möglichst grosser) Geldbetrag oder ein (möglichst süsses) Nahrungsmittel.

Dass „Sex“ als Verkaufs-Anreiz in der Werbung allgegenwärtig ist, das haben wir ja längstens gemerkt bzw. wir merken es nicht einmal mehr. Was also kann uns diese Studie an neuen Erkenntnissen bringen? – Könnte es sein, dass wir (zumindest wir Männer, denn mit Frauen wurden keine Vergleichs-Studien gemacht) deshalb unkontrolliert zunehmen, weil wir Tag und Nacht von leicht geschürzten Missen umzingelt sind? Und daher unbewusst im Zweifelsfall die Kalorienbombe wählen, wenn wir die Sexbombe schon nicht bekommen können?

Wäre die Gewichtszunahme das Resultat von permanenten oralen Ersatzbefriedigungen, die wir uns spontan gönnen, ohne dass wir uns dessen gewahr werden? Und gilt das gleiche Phänomen auch für nabelfreie Tops im Tram? Oder für die Stringbändchen über dem Hosenbund und dem Steissgeweih? Was kommt da noch alles auf uns zu? Haben wir überhaupt eine Chance, dem Zwang zu Süssem zu entkommen, der uns durch das aktuelle Bekleidungsreglement auferlegt wird? – Ein weites Feld tut sich auf, das zu unserem Wohl erforscht sein will.




15/6  Das im Glas

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:08

Ich weiss, dieser Werbespruch galt einst dem Toni-Joghurt, als noch heftig darüber gestritten wurde, was ökologisch besser sei, der Plastic-Becher oder das Recycling-Glas. Aber es gab damals auch noch andere Esswaren „im Glas“, vornehmlich die Babynahrung von Hipp oder Milupa und wie sie alle hiessen. Sie waren nicht besonders gut, aber sie galten als gesund und ausgewogen und man ergänzte sie mit püriertem Gemüse und fein geraffelten Rüebli, weil man seinem Nachwuchs ja nur das beste vom Besten bieten wollte.

Nun geht eine Geschichte durch die englischen Medien, die all diese Erinnerungen an die kulinarische Aufzucht der eigenen Brut wieder wachruft: die kleine Courtney Boswell ist anderthalb Jahre alt und ernährt sich ausschliesslich von Pommes-Frites (die man in England „Chips“ nennt). Sie sei übergewichtig, sagen die beobachtenden Spezialisten, und wiege, was ein vierjähriges Kind. Und ihre Mutter gibt sich völlig uneinsichtig: die Kleine möge nun mal nichts anderes, Gemüse werfe sie jeweils weit weg, aber sie sei nicht zu dick, höchtens etwas pummelig.

Die von den Medien befragten Experten sind entsetzt. Das Kind kriege so keine Vitamine und Mineralien, es werde an Mangelerscheinungen und früh an Begleitkrankheiten leiden. Die Mutter solle sofort einen Arzt konsultieren und nach Wegen suchen, wie sie die einseitige Vorliebe ihrer Tochter beim Essen verändern könne. Gut gemeinte Ratschläge, die wohl wenig nützen werden. – Man hat in letzter Zeit viel gelesen von Müttern und Eltern, die ihre Kleinkinder elendiglich verhungern liessen oder zu Tode quälten. Überfütterung ist auch eine Form von Tortur und von Qal, nur gibt es dafür noch keinen justiziablen Tatbestand.




14/6  Waldhüttenfest

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:41

Die Holzkorporation Maur hat das Blockhaus im Wald über dem Greifensee vor sieben Jahren erstellt. Ein solider, behäbiger Rundholzbau, so wie man sich die Hütten der wilden Westmänner vorstellt, einst, in den rauen Zonen, als noch das Recht des schnelleren Schützen galt. Zur Party geladen hat der XL-FreizeitClub, bei dem Toleranz an erster Stelle steht.

Es ist eine aufgestellte Gruppe von Menschen, die mitten im Leben stehen, die sich regelmässig treffen zu geselligen Anlässen, gemeinsamem Wassersport und fröhlichem Beisammensein, je nach Jahreszeit und Witterung. Es wird auf der offenen Feuerstelle gegrillt, ein üppiges Salatbüffet trägt der Gesundheit Rechnung und auch die Dessertfreuden wurden nicht vergessen. Zwischen den Gängen huldigt die Truppe dem alten Motto, dass man sich dort ruhig niederlassen kann, wo gesungen wird: kein ausgefeilter und einstudierter Chorgesang, aber gemeinsames und improvisiertes Karaoke-Singen, das bald für ausgelassene Stimmung sorgt und auch eingefleischte Gesangsmuffel zum Wippen und zum Mitsummen bringt.

Einige in der Runde sind schon länger Mitglied im SAPS-Trägerverein, man tauscht Erfahrungen aus, Erlebnisse aus Beruf und Freizeit, lernt neue Gesichter und Geschichten kennen, und spontan beschliessen einzelne, dass sie an einem Schnupperkurs für orientalischen Tanz teilnehmen wollen, den wir in der neusten Ausgabe unseres Mitglieder-Magazins ausgeschrieben haben. Wir vereinbaren, dass wir im Anschluss daran im SAPS-Büro nebenan einen Kafffee-Treff einrichten und freuen uns, dass der Freizeit-Gedanke übergesprungen ist und Funken geschlagen hat. Schön, dass es euch gibt!




13/6  Was Mut macht

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:54

Am Mittag Sitzung in Bern: Gründungsversammlung einer neuen Kraft im Kampf für eine wirkungsvolle Prävention in der Schweiz. Allianz Gesunde Schweiz nennt sie sich und es gehören ihr im Moment 21 nationale Organisationen im Gesundheitsbereich an, dreizehn weitere werden wohl noch dazu stossen. Wir verabschieden eine Erklärung zuhanden er Öffentlichkeit und beschliessen die Grundzüge eines Aktionsprogramms.

Dann geht es durch das Toben der Orangen Hölle Hollands in der Berner Innenstadt wieder zurück zum Bahnhof: Es ist noch nicht zwei Uhr und das Spiel findet erst am Abend statt… da wird noch manche Kehle trocken gelärmt, bis zum Anpfiff. Aber eigentlich liegt eine enorme Fröhlichkeit und eine Lebensfreude über der Stadt, wie man sie nur vom Zibelemärt her in Erinnerung hat.

Es ist gut, dass sich die Gesundheits-Organisationen aufraffen und das Feld nicht den politischen Gegnern überlassen, die mit ihren Parolen von der Freiheit zur Selbstverantwortung nur notdürftig ihre eigenen Marktinteressen kaschieren, die offensichtlich darin bestehen, möglichst viel Profit aus dem freien Wettbewerb mit seinem Verdrängungskampf zu ziehen… und die gesundheitlichen Spätfolgen von der Allgemeinheit bezahlen zu lassen.

In den Medien dann zwei gegenläufige Botschaften: Manuel Uribe, der schwerste Mann der Welt, hat bereits 200 Kilo abgenommen… und kennt keinen sehnlicheren Wunsch, als nach Erreichen seines angestrebten Zielgewichts von 130 Kilo (dafür muss er nochmals 200 Kilo abspecken!) zu Fuss mit seiner Traumfrau zum Traualtar zu schreiten. Diese Motivation gibt Mut. – Und auf der andern Seite war da ein Beitrag in der TV-Serie CSI Las Vegas, wo die Kriminalexperten einen mysteriösen Mordfall aufklären, der schliesslich darin besteht, dass ein junger Mann zu Tode gekommen ist, weil er beim Liebesspiel von seiner übergewichtigen Freundin erdrückt wurde… – Eher geschmacklos und eigentlich nicht motivierend… obwohl es vielleicht geheime Sehnsüchte geben mag, die in diese Richtung weisen.




12/6  Plan Leuthard

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:52

Im Auto unterwegs, habe ich Radio gehört: Bericht aus dem Bundeshaus. Das Parlament debattierte über die aktuelle Lebensmittelkrise, die steigenden Preise und die Abhängigkeit von globalisierten Märkten, in denen die Reichen reicher und die Armen ärmer werden. Es wurde darauf hingewiesen, dass die einheimische Landwirtschaft nur noch knapp 60 Prozent unseres Lebensmittel-Bedarfs zu decken vermag und dass die Schweiz in hohem Mass vom Ausland und seinem Preisdiktat abhängig sei.

Dann hörte man unsere Wirtschaftsministerin, die dem Rat mit heller Stimme erklärte, dass wir dieses Problem locker lösen könnten, wenn wir unsere Ansprüche etwas einschränken würden. Sie erinnerte an den seinerzeitigen Plan Wahlen, auch Anbauschlacht genannt, und machte dem Parlament ihren „Plan Leuthard“ beliebt: wenn alle ihren täglichen Konsum auf 2’500 Kalorien reduzieren, dann ist die Schweiz punkto Lebensmittel wieder autark, also voll selbstversorgend.

Nun weckt der Plan Wahlen in mir besondere Erinnerungen: Mein Vater war einer der Mitarbeiter des Agronomie-Spezialisten und nachmaligen SVP-Bundesrates Friedrich Traugott Wahlen und nicht ohne Stolz betrachtete ich früher ein vergilbtes Foto aus dem Jahre 1941, das den nachmaligen Magistraten zeigte, wie er ein Babybündel sorgsam im Arm wiegte: mich. Ziel der damaligen Anbau-Aktion, bei der alle verfügbaren Landflächen und Stücke mit Kartoffeln und anderem Gemüse bebaut wurden, war es, jedem Schweizer und jeder Schweizerin pro Tag eine Energiemenge von 2’750 Kalorien zu sichern! Damals war körperliche Bewegung noch die Regel, Energie wurde ver- und gebraucht, Autos hatten nur die wenigsten, wer ein Velo sein eigen nannte, war privilegiert, auf weiten Strecken.

Die Beschäftigung mit dieser Frage, ausgelöst durch den provokativen Vorschlag von Bundesrätin Doris Leuthard im Parlament, hat mich bei den Recherchen zu diesem Beitrag auch zu den wissenschaftlichen Wurzeln meines Vaters geführt. Er hatte in den 30er Jahren Studien gemacht über den Zusammenhang zwischen Ernährung (bei Tieren) und der Bildung von Muskel- und Fettgewebe. In seiner Dissertation hatte er unter anderem dargelegt, dass ein Kaninchen für die Bildung von einem Kilo Muskelfleisch ca. 2’500 Kalorien-Werte (sogenannter „physiologischer Nutzwert“) an Futter verbraucht, während für die Bildung von einem Kilo Fettmasse mehr als zehnmal soviele Nutzwert-Kalorien erforderlich sind, nämlich ganze 26’000. – Eine interessante Rechnung für die damalige Zeit, die heute eingeholt wird durch die neue Dimension der Bio-Treibstoffe: für eine Tankfüllung mit Biodiesel wird so viel Mais verbraucht, dass ein Mensch in einem armen Land davon ein Jahr lang leben könnte.

Absurde Welt. So abewgig ist der Gedanke mit den Leuthard-Plan gar nicht. Die Frage ist bloss, was es (noch) braucht, bis er umgesetzt werden kann bzw. muss.




11/6  Lob des Wassers

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 20:05

Es ist wieder einmal ein Bericht über unser Aquafit-Training fällig, und zwar aus besonderem Anlass. Das Wärmebad Käferberg, in dem wir uns bisher wöchentlich während einer Stunde in angenahm warmem Wasser abgestrampelt haben, wird für ein halbes Jahr geschlossen, weil man es einer Revision unterziehen muss. So war die Aquafit-Gruppe gezwungen, in ein anderes städtisches Bad umzuziehen. Im angrenzenden Quartier sind wir fündig geworden. Ein funktionales, modernes, putzsauberes Bad… aber gefüllt mit Wasser, das um einige Grad kälter ist. Zuerst war es ein wenig ein Schock. Aber was kann uns so ein Hallenbadwasser anhaben, wir, die wir in unserer Jugend geradezu spartanisch abgehärtet worden sind, indem wir im Schulbaden ab 13 Grad (!) beim Bubenbedli in die offene Aare mussten!?

Nach wenigen Minuten hatte man sich an die neue Temperatur gewöhnt, aber es war eigenartig: nach ebenso wenigen Minuten stellte sich bei mir ein Gefühl der Erschöpfung ein, so wie es mich befällt beim Treppensteigen oder wenn der Weg bergauf führt. Anstrengung und leichte Atembeschwerden, die zeigen, dass der Organismus unter Last läuft. Ich weiss nicht, wie viele zusätzliche Kalorien ich in der Trainingsstunde verbrannt habe wegen dieses Temperaturunterschieds, auf jeden Fall fühlte ich mich am Ende wohlig geschlaucht und doch erfrischt, ein neues Erlebnis in einem neuen Hallenbad. Bald wird man sich daran gewöhnt haben. Dass nach der Dusche dann draussen auf dem Parkplatz die andere, weit heftigere Dusche von oben, aus den Regenwolken kam, das lag wohl begründet im Pech der Schweizer Nationalmannschaft, das selbst hartgesottene Engel zum Weinen brachte.




10/6  Kinder ausgegrenzt?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:36

Das Migros-Magazin ist eine auflagenstarke Kundenzeitschrift. Es wirbt nicht nur für die Produkte, die der orange Riese in den Markt drückt, es erreicht mit seinen Beiträgen auch eine millionenfache LeserInnenschaft. Gerne lese ich jeweils die Hausmann-Kolumnen von Bänz Friedli, denn sie sind vom praktischen Leben abgeschrieben und wecken nicht nur Erinnerungen an eigene familiäre Vergangenheiten, sondern erweisen sich regelmässig als kluge und präzise Beobachtungen von Verhältnissen, ob diese uns nun gefallen oder nicht.

Diesmal nimmt Friedli die Empfehlungen der Schulbehörden bezüglich gesunder Znüni-Verpflegung unter die Lupe und stellt fest, dass diese nicht selten in einem gewissen Widerspruch stehen zur gelebten Ernährungspraxis bei schulischen Anlässen. Um ins Thema der übergewichtigen Jugend einzuführen, beschreibt er seine Beobachtungen in öffentlichen Schwimmbädern. Die bestehen unter anderem darin, dass es die dicksten Jungen seien, die auf die höchsten Sprungbretter kletterten, um mit gewaltigem Platsch ins Bassin zu springen. Als ich diese Kolumne las, hatte ich kurz gestockt und beim Lesen inne gehalten: hier wird ein an sich objektiver Tatbestand mit deftigen aber klaren Worten beschrieben. Tut der Autor damit den übergewichtigen Jungen Unrecht? Verunglimpft er sie in ihrem Freizeitverhalten? Will er andeuten, dass ein Kind, das deutlich zuviele Kilos auf den Rippen hat, kein Recht haben, auf Sprungtürme zu klettern und ins Wasser zu springen?

Wir haben heute auf der SAPS ein Mail von einer Leserin des Migros-Magazins erhalten. Sie hat sich über die Schilderung Friedlis geärgert, weil er damit die übergewichtigen Kinder in ein negatives Licht rücke und so zu ihrer Ausgrenzung beitrage. Und wir sollten von der Stiftung aus bei der Migros intervenieren. – Ich habe die Kolumne nochmals gelesen und auch eigene Beobachtungen im Schwimmbad Revue passieren lassen. Und ich habe diese Bilder auch vor dem inneren Auge. Allerdings sind es für mich nicht erbarmungswürdige, von Ausgrenzung betroffene Kids, die sich da am Bassinrand und auf den Sprungbrettern tummeln: mir fällt auf, dass diese Kinder eine stämmige Lebensfreude versprühen, wenn sie prustend ins Wasser tauchen, wo sie sich schwerelos bewegen können… Sie gehen mit ihrem Körpergewicht völlig unbefangen um, geradezu stolz, jedenfalls nicht, als wollten sie es aus Scham und Furcht vor Hohn verstecken. Noch nicht, jedenfalls. Und ich erinnere mich an andere Kinder, die ich kenne, die von einem bestimmten Gewicht an gar nicht mehr ins öffentliche Bad gegangen sind, oder, wenn es denn im Schulschwimmen sein musste, nur in ein grosses Badtuch gehüllt, bis zum Beckenrand…

Ich kann die Reaktion und den Ärger der Leserin intellektuell nachvollziehen. Es gehört sich nicht, dicke Kinder, die nichts dafür können, dass sie übergewichtig sind, in einem Text so explizit herauszustreichen… und gleichzeitig weiss ich vom Gefühl her, dass Bänz Friedli hier nur eine Situation beschrieben hat, die es in der Wirklichkeit gibt, und die man so oder auch anders deuten kann. – Was meinen Sie?