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Von Heinrich von Grünigen um 17:09 |
Der Gesundheitswahn kennt keine Grenzen. Per Zufall stosse ich auf einen aktuellen Bericht, der besagt, dass ein Getränke-Verkäufer in England mit Birkenwasser das ganz grosse Geschäft machen will.
Birkenwasser? Was soll denn das sein? Von Birkenzucker habe ich schon gehört, das ist der Süssstoff Xylit, dem die Fama anhaftet, „gesünder“ zu sein als der gebräuchliche Haushaltzucker – was er auch tatsächlich ist.
Aber nun das Birkenwasser. Es wird offenbar im Frühling in nordischen Ländern von Birkenstämmen abgezapft, mit einem ähnlichen Verfahren wie beim Natur-Kautschuk. Ist das nun wieder so ein Angelsachsen-Spleen oder kennt man es bei uns womöglich auch schon?
Entsprechende Recherche fördert zutage: das gibt es hierzulande bereits seit Jahren, z.B. im Alnatura-Sortiment der Migros. Ein altbewährtes Naturheilmittel sei es, liest man da. Und apothekermässig mutet auch die Preisgestaltung an: hochgerechnet mehr als 18 Franken pro Liter, für eine Flüssigkeit, die der Konsument – so ein Kommentar auf der Website – kaum von Hahnenwasser unterscheiden kann.
Wie viel ist „man“ bereit zu zahlen für etwas, das auch nur von weitem eine „gesunde“ Wirkung verspricht? Manche wittern den Superprofit. Viele täuschen sich. Wachsamkeit ist angesagt.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:00 |
Ferien ohne Diskriminierung. Das ist das Motto eines Hotel-Investors, der sich entschieden hatte, auf den Bahamas ein Ferien-Resort exklusiv für übergewichtige TouristInnen einzurichten.
Ausschlaggebend war eine Erfahrung, die der Mann als Mitarbeiter in einem Hotel der Luxusklasse in USA gemacht hatte: er erlebte, wie ein Plastic-Stuhl unter einem weiblichen Gast zu Bruch ging, begleitet vom hämischen Gelächter der anderen Gäste. Und als das Hotel-Management von dem bedauerlichen Opfer noch 150 Dollar Schadensersatz für den kaputten Sessel verlangte, beschloss der Mann, für Abhilfe zu sorgen.
Kurzerhand eröffnete er auf einer Bahamas-Insel ein eigenes Feriendomizil, dessen Infrastruktur bis ins letzte Detail auf übergrosse und überschwere Gäste ausgerichtet ist: breite Türen, geräumige Duschen, verstärkte Betten, extra solide Stühle und Sonnenliegen (belastbar bis zu 280 Kilogramm)… Hier können Reisende unter sich und so sein, wie es ihnen passt, ohne dem Spott und der Häme anderer ausgesetzt zu sein.
Das Modell erweist sich als so erfolgreich, dass bereits ein zweites, analoges Resort in Planung ist. Allerdings hat ein solches Angebot auch seinen Preis. Verkauft werden in erster Linie Pauschal-Arrangements für Gruppen (bis zu 24 TeilnehmerInnen) für 16’000 Dollar die Woche, was dann für den Einzelnen nur noch 670 Dollar ausmacht, freilich ohne die Kosten der Anreise. Und es ist wirklich ein Ferien-Angebot, keine Abnehm-Kur. Dreimal täglich gibt es ein opulentes Buffet, ohne Kalorien-Begrenzung. Und ein absolut freiwilliges Fitness-Programm.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:45 |
Wie geht man mit Dicken um? Eine triviale Frage, aber für Betroffene überlebenswichtig. Noch immer gehen an unserer Helpline Anfragen ein, in denen sich Betroffene beklagen, dass „ihr“ Hausarzt vom Thema Übergewicht überfordert sei und hilflos reagiere, indem etwa gesagt werde: Ok, kommen Sie wieder, wenn Sie abgenommen haben…
Natürlich darf ein solcher Satz nicht verallgemeinert werden. In den letzten Jahren ist viel geschehen, um das Verständnis dieser komplexen Krankheit gegenüber zu verbessern. Und dennoch – oder gerade deshalb – ist es höchst begrüssenswert, dass das Bundesamt für Gesundheit BAG nun eine neu überarbeitete und aktualisierte Richtlinie zur Therapie der Adipositas in der Schweiz veröffentlicht hat, den sogenannten „Consensus“.
Diese Anleitung wird ergänzt durch eine schön illustrierte Kurzfassung, den „Praxisleitfaden Adipositas“ für Ärztinnen/Ärzte und Gesundheitsfachleute. Auf vier Seiten werden die essentiellen Aussagen zusammengefasst, verbunden mit einer Liste nützlicher Links, unter denen vertiefende Informationen abgeholt werden können. Im Vordergrund stehen dabei auch Empfehlungen für den korrekten und empathischen Umgang mit übergewichtigen und adipösen PatientInnen in der Praxis.
Gerne warten wir nun auf positive Rückmeldungen auf unserer Helpline.
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Von Heinrich von Grünigen um 10:51 |
Die Veganer sind dafür. Aber sie sind (noch?) in der Minderheit. Eine aktuelle Studie der Forschungsanstalt Agroscope zeigt auf, dass die Umweltbelastung durch unseren Ernährungsstil um 50% gesenkt werden könnte, „ohne ganz auf Fleisch zu verzichten“.
Jetzt fragt man sich natürlich, was das „ganz“ in dieser Aussage quantitativ bedeutet. In meiner Kindheit gab es einmal in der Woche Fleisch, wenn es hoch kam – an besonderen Fest- und Feiertagen – gar zweimal. Heute essen viele von uns zwei- bis dreimal täglich Fleischerzeugnisse, vom Frühstücks-Speck über den Mittagsbraten zur Abend-Aufschnittplatte… Das ist dann eindeutig zu viel.
Jetzt könnte man natürlich das Fleisch verteuern. Dadurch würde aber der Einkaufsourismus ins Ausland angekurbelt, der doch zu einem grossen Teil gerade den Fleischprodukten gilt, die ennet der Grenze massiv günstiger sind als bei uns.
Ein lobenswertes Beispiel in dieser Hinsicht gibt uns der Automatenbetreiber „Selecta“. Der hat seit kurzem ein neues Angebot im Sortiment: Eine hübsch verpackte Portion Beef Jerkey. Diese wiegt 25 Gramm und kostet CHF 3.50. 100 Gramm kosten demnach 14 Franken, das macht einen stolzen Kilopreis von CHF 140.– aus! Das ist etwa gleich viel wie der Luxus-Schmaus vom Kobe-Rind kosten würede – wenn man ihn sich denn leisten möchte.
Durch eine derart exorbitante Preisgestaltung lässt sich der Fleischverzehr tatsächlich reduzieren, ich jedenfalls lasse am Automaten kein zweites Mal so ein Fleisch-Schnipsel-Beutelchen heraus.
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Von Heinrich von Grünigen um 17:46 |
Soweit kommt es noch. Dass ich aus einem Gefäss gewöhnliches Wasser trinke und dabei meine, eine besondere Limonade zu verkosten. Den Geschmack und die Farbe hat mir dabei jemand übers Internet zugeschickt.
Eine Forschergruppe in Singapur, die sich mit interaktiven digitalen Medien befasst, hat diese Sache ausgeheckt. Mit einem speziellen Sensor wird die Beschaffenheit eines Getränks am Ausgangsort abgetastet und in digitale Signale umgewandelt. Diese werden übers Internet an einem Empfänger geschickt, der ein besonderes Trinkgefäss besitzt, welches die übertragenen Limo-Signale nun umsetzt, einerseits in eine LED-Beleuchtung, welche die Farbe des Getränks wiedergibt, und in sensorische Impulse am Rand des Gefässes, welche den Geschmacksknospen der Zunge das spezielle Aroma des Getränks vermitteln.
Mit dieser Erfindung, sagen die Forscher, liessen sich zwei Welternährungs-Probleme auf einen Schlag lösen: sowohl die Unter- als auch die Überernährung. Ich bin da nach der ersten Lektüre noch nicht so optimistisch. Überernährung – ja, vielleicht, wenn ich reines Wasser trinke und dabei meine, es sei Bier oder Cola, dann erspare ich mir den Kalorienschub. Aber umgekehrt? Wenn ein unternernährtes Kind in einem Drittweltland (woher nimmt es dann die technischen Geräte und den Online-Zugang?) ein Glas Wasser trinkt (das ja auch zuerst einmal vorhanden sein muss) und dabei meint, es sei frische Milch…. dann wurde es ganz böse verarscht und hat keinerlei verbesserte Überlebens-Chancen.
Oder sehe ich das falsch? – Schöne neue Welt, am Reissbrett. Vielen Dank auch.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:40 |
Es ist ein schlechtes Wortspiel, zugegeben. Und würde mir eigentlich gar nicht zustehen. Aber es drängt sich mir unerbittlich auf. Da habe ich zufällig in eine Kochshow reingezappt, von der Art, wie sie nur Kommerzsender zu produzieren vermögen, wo zwei Köchinnen im Wettstreit um Sekunden aus Randen und Couscous eine Speise zaubern musstren, die nicht nur gut aussehen sondern auch noch schmecken sollte. Eine Jury verkostete das Resultat, bestehend aus einer ehemaligen Spitzenköchin, einem bekennenden Feinschmecker und eben ihm: dem gewesenen Fussball-Manager Reiner Calmund, genannt Calli.
Calli ist der Vorzeige-Dicke in den deutschen Trivialmedien. Hier nimmt man ihn als Vielfrass wahr, der sich dickgefuttert hat, ein Gourmand, kein Gourmet. Seine Wertung wirkt denn auch nicht, als wäre sie von einer besonderen Sensorik bestimmt, er mimt den Verfressenen, kokettiert mit seiner Essenslust und zementiert so alle Vorurteile, die man dicken Menschen gegenüber hegen mag. Auch er landet in der Falle der „lustigen Dicken“, gibt den fröhlichen Falstaff so richtig von Herzen…
Mit Schrecken ertappe ich mich dabei, wie mir bösartige Gedanken durchs Hirn zucken: muss das sein, dass sich ein Adipositas-Kranker so mutwillig zum Affen macht bzw. machen lässt? Wem tut er damit einen Gefallen? Ist er ein Botschafter für die Übergewichtigen, der zu verstehen gibt, dass man auch mit krankhaftem BMI Spass am Leben haben kann? Und gleichzeitig versuche ich mich daran zu erinnern, wie ich selber noch unlängst in der gleichen Gewichtskategorie gefangen war, keine Hemmungen hatte, mich den Medien zu präsentieren.
Vielleicht ist es wichtig, dass das Publikum das gewichtsmässige Anderssein zur Kenntnis nehmen und sich damit auseinandersetzen muss. In diesem Sinne sollten wir Callis Beitrag doch als ein Bekenntnis verstehen zu sich selbst und seinem Gewicht, und müssten unsere Vorurteile, auch die unbewussten, überwinden und beiseite legen können.
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Von Heinrich von Grünigen um 19:00 |
Wir wohnen im siebten Stock. Direkt unter uns, im Parterre, befindet sich eine McDonald’s-Filiale. Wann immer man vorbeigeht, die Bude ist pratisch dauernd im Schuss, mal voller, mal weniger, aber der Laden brummt.
Und nun lese ich heute beim Frühstück, dass der McDo-Landes-Chef mit dem Umsatz der 166 Filialen in der Schweiz nicht zufrieden ist, dass die Lokale in USA doppelt so viel Umsatz machen und dass er alles daran setzen wird, hier mehr Wertschöpfung zu erzielen, denn Fast Food – richtig an den Mann und die Frau gebracht – sei hierzulande ein eindeutiger Wachstumsmarkt.
Richtig heisst in diesem Fall: noch schnellere Bedienung, indem der Kunde am Terminal seinen Food selber bestellen und bezahlen kann, worauf ihm dann die Speise von einer freundlichen Bedienung an seinen Sitzplatz gebracht wird, an dem er überdies von gratis WLAN und WiFi profitieren kann.
Dadurch sollen nicht nur neue Gäste angelockt werden, auch die Stammkundschaft soll motiviert werden, häufiger zu kommen und mehr zu konsumieren. Wir zweifeln nicht daran, dass es dem erfahrenen Gastro-Manager gelingen wird, sein Konzept umzusetzen. Es lebe die Prävention.
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Von Heinrich von Grünigen um 17:23 |
Fabian lebt nicht mehr. Sein Tod ist tragisch, war aber – leider – absehbar. „Der Junge, der sich zu Tode ass“ lautete heute der Titel eines Berichts im Tages-Anzeiger. Fabian wurde 17 Jahre alt und wog zuletzt 280 Kilo. Als pummeliges Kind wurde er schon im Kindergarten ausgegrenzt. Er fand Trost beim Essen, bis er eine richtige Fresssucht entwickelte, von der er nicht mehr loskam. Es folgte eine unglaubliche Irrfahrt durch Institutionen, Kliniken, Heime, unter Aufbietung aller denkbaren Hilfe von Experten und Betreuerinnen, Verbeiständung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten… Jeder, der mit dem Jungen befasst war, wollte im Grunde nur dessen Bestes, aber eine Verkettung von verhängnisvollen Umständen und Faktoren trug dazu bei, dass keiner der Therapie-Versuche erfolgreich war, dass ein Rückfall nach dem andern das Gewicht des Buben weiter in die Höhe trieb und dieser schliesslich jede Motivation verlor, sich auf eine Behandlung einzulassen. Endstation war ein Alters- und Pflegeheim, nachdem auch das Angebot einer Magen-OP verweigert worden war.
Wir wurden mit dem „Fall“ vor einigen Monaten konfrontiert, als seine damaligen Sozial-Betreuer sich an die SAPS wandten, auf der Suche nach einer Institution, welche den jungen Patienten stationär aufnehmen könnte. Leider gibt es in der Schweiz keine solche Klinik, und ein früherer Aufenthalt in Deutschland musste abgebrochen werden, obwohl er erfolgversprechend gewesen war. Auch wir wussten keinen Rat. Da der Junge sich gegen jede ärztliche Behandlung sträubte und auch unter „Bewachung“ sich immer wieder Zugang zu Fastfood verschaffen konnte, war die Katastrophe nicht aufzuhalten.
Es ist müssig, darüber zu spekulieren, ob dieser tragische Ausgang sich hätte vermeiden lassen. Am Anfang – und das ist das Traurigste daran – standen wohl die unbedachten und verletzenden Hänseleien und Ausgrenzungen durch die Schulkameraden, die Fabian in seine Isolation trieben, so dass er sich in seine Fresssucht rettete, die ihn schliesslich selber verschlang… Der Fall zeigt auch, wie eingeschränkt die Möglichkeiten einer Behandlung sind, wenn der Patient und sein Umfeld nicht motiviert sind, zum Gelingen beizutragen, denn gegen seinen Willen kann man niemanden zum Abnehmen zwingen.
Wir trauern um einen jungen Menschen, der zum Opfer aussergewöhnlicher Umstände wurde, aus denen er keinen Ausweg mehr gefunden hat. Kann sein Schicksal etwas bewirken? Es sollte ein Fanal sein gegen jede Form von Diskriminierung!
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Von Heinrich von Grünigen um 16:53 |
Verwirrung im Vormarsch. Da fordern wir bei jeder Gelegenheit, es möchten nun endlich einfache, gut lesbare und verständliche Hinweise auf den Lebensmittel-Packungen angebracht werden, die es den ernährungsbewussten KonsumentInnen erleichtern, sich beim Einkauf über einzelne Produkte zu informieren.
Zur Diskussion stehen die „Ampel“, daneben die Angaben in Relation zum Tagesbedarf („GDA“) oder eine Kombination von beidem. Nicht mehr weiter verfolgt wurde bei uns die Idee eines „Tic“-Labels, das an „gesunde“ Produkte im Sinn einer generellen Empfehlung vergeben würde.
Und nun kommt Frankreich und lanciert unvermittelt eine völlig neue Kennzeichnung unter dem Titel „Nutri-Score“. Es ist sehr einfach und wirkt einleuchtend, obwohl es effektiv gar nichts aussagt über die tatsächliche Zusammensetzung und den Anteil der einzelnen Nährstoffe. „Nutri-Score“ ist vielmehr die simple Abfolge von 5 Buchstaben: A-B-C-D-E vor einem farbigen Hintergrund: A=dunkelgrün, B=hellgrün, C=gelb, D=orange, E=rot. Also im Prinzip eine Ampel mit Zwischentönen. Denn die Bedeutung der Buchstaben bzw. deren Farbe signalisiert sinngemäss: „Dunkelgrün: sehr gut“, „Hellgrün: gut“, „Gelb: nicht so gut“, „Orange: nicht gut“, „Rot: gar nicht gut“. Und zwar bezogen auf das gesamte Produkt, auf der Basis seines Nährwert-Profils.
Diese Empfehlung erinnert mich an den Farbcode auf den elektrischen Haushaltgeräten, bei denen daneben separat noch die Daten für Verbrauch und Umweltbelastung angegeben sind. Ich gehe davon aus, dass sich die detaillierten Nährwertangaben auch weiterhin auf den französischen Produkten finden werden.
„Nutri-Score“ wurde am 31. Oktober 2017 eingeführt und wird von einigen grösseren Playern der Lebensmittelindustrie zunächst freiwillig angewendet. Es wird interessant sein, zu beobachten, wie sich die Sache weiter entwickelt.
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Von Heinrich von Grünigen um 9:35 |
In der Zeitung sah es nach Aufruhr aus. Nur unter Polizeischutz habe man die Aktion durchführen können. Aggressive Drohungen seien von Seiten der Tierschützer gekommen. Ein Pfarrer soll sich aus Protest gegeisselt haben. Aber das Publikumsinteresse sei gross gewesen, vor allem seitens der Älteren.
Angesagt war eine „öffentliche Hausmetzgete“. Also ein absolut alltäglicher Vorgang, müsste man meinen, Jedenfalls früher war es so. Ich erinnere mich an meine eigene Kinderzeit, in den Ferien bei Onkel Otto und Tante Ella auf der „Sandgrube“, einem hablichen Bauernhof unweit von Bern. Die Metzgete war eine Art Festtag mit rituellem Charakter, von langer Hand vorbereitet. Das Säuli war lange voraus bestimmt und besonders liebevoll gepflegt worden. Der Störmetzger mit seinem Gehilfen war flink und routiniert zugange. Wir Kinder halfen mit, wo wir konnten, aus respektvoller Distanz zwar, aber wenn etwas gebraucht wurde, das wir besorden konnten, waren wir zur Stelle.
Es gehörtze zu den natürlichsten Verrichtungen, dass die Fleischspeisen vor aller Augen auf dem Hofplatz und später in der Küche zubereitet wurden. Und die Aussicht auf den bevorstehenden Festschmaus liess und schon früh die Münder wässern: Würste in aller Form, Braten, Gnagi… aber das Meiste wurde vorbereitet als Vorrat: Schinken, die in die Kisten mit Salz wanderten, Speckseiten, dier neben den Würsten im Räucherkamin des Waschhäuschens baumelten – Nahrung für den ganzen Winter, in Selbstversorgung.
Heute ist uns dieses Essen durch die industrielle Massenfertigung entfremdet worden. Wir nehmen es nur noch als Material wahr, haben den Bezug zur Kreatur verloren, von der es stammt und nicht ohne Schaudern sehen wir von Zeit zu Zeit einen Dokumentarfilm aus dem Schlachthaus, wo alles durchgetaktet im Zeitraffertempo abläuft, weil der Konsument es bilig, billig, billig haben will!
Wo ist das Handwerk geblieben? Und wie hoch müsste der Preis sein, um es erneut zu beleben? Würde uns das helfen, wieder mit mehr Vernunft und Rücksicht auch auf unsere eigene Gesundheit zu essen?
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