13/5  Im Teufelskreis

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 19:19

Das Wandern sei des Müllers Lust, sangen wir früher, wobei wir nicht darüber nachdachten, weshalb ausgerechnet dieser nicht so sehr verbreitete Berufsstand es nun ausgeprägter als andere mit dem Wa-ha-ha-ha-haaan-dern haben sollte, denn die eigentlichen Wandergesellen waren ja die Zimmerleute mit den breiten Schlaghosen und den grossen Hüten.

Hauptsache, wir schmetterten die Lieder im Takt, wenn wir in Formation unterwegs waren, sei es nun auf dem Familienschlauch, dem Schulausflug oder später im Militär, wo noch eine patriotische Note dazu kam. Das Singen aus voller Lunge war kein Problem, wir hatten guten Atem, pumpten den Brustkasten auf, dass die Rippen knackten, und liessen die Stimmen weithin erschallen, wenn wir durch die Bergwelt zogen.

Das war einmal. Heute, liest man in der Zeitung, seien die viel zu vielen dicken Kinder gar nicht mehr in der Lage, länger auf den Beinen unterwegs zu sein. Mühsam schleppten sie am Rande der Erschöpfung ihre übergewichtigen Körper vorwärts, statt vier Stunden könne die Wanderung höchstens noch zwei Stunden dauern, und viele Kinder brächen zusammen oder müssten von ihren Eltern abgeholt werden.

Schuld an der rapiden Zunahme übergewichtiger und adipöser Kids sind nach einer aktuellen Studie in Basel, Bern und Zürich einerseits das „Taxi Mama“, der motorisierte Schultransport von Tür zu Tür (der offenbar in den Städten ausgeprägter ist als auf dem Land, obwohl dort die Distanzen grösser sind), eine einseitige Ernährung (Lieblingsmenü der befragten Kids sind Tiefkühlpizzas, Früchte und Gemüse werden nur von einer Minderheit verzehrt) und mangelnde Bewegung (dies wird auch durch eine Studie im europäischen Rahmen bestätigt). Und da beginnt sich der Teufelskreis zu schliessen: je dicker die Kinder, desto weniger können sie wandern – und je weniger sie wandern, desto dicker werden sie… Es ist höchste Zeit, dass er mit kreativen Massnahmen durchbrochen wird, auch wenn die Rechtspopulisten noch so penetrant von „Eigenverantwortung“ faseln.




12/5  Früh krümmt sich…

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:52

Kürzlich wandte sich eine Leserin an den Briefkasten von Times Online mit der besorgten Frage, wie sie reagieren solle, nachdem ihre dreijährige Tochter zu ihr gesagt habe Mama, ich bin zu dick! und dabei auf ihr Bäuchlein zeigte… Un in der Schule, die der 5-jährige Bruder besucht, sei „Dicker“ ein gebräuchliches Spott- und Schimpfwort.

Die Antwort der Expertin ist aufschlussreich. Die Kleine können sich in diesem Alter noch kaum durch eigenes Vergleichen und durch die Aufnahme von Werthaltungen aus Modekatalogen oder die Verinnerlichung der Barbie-Masse ein eigenes „Urteil“ gebildet haben, sie müsse also irgendwo beiläufig aus Gesprächen der Erwachsenen mitbekommen haben, dass Dicksein nicht erwünscht sei… Vielleicht sei dies auch eine Spiegelung der Tatsche, dass die Mutter selber versucht, durch „richtige“ Ernährung die Pfunde wieder loszuwerden, die sie während und nach der Schwangerschaft zugelegt hatte.

In kindlichen Aussagen finden sich meist – gelegentlich falsch verstandene – Botschaften der Erwachsenen wieder. Das eigene Vorbild, das täglich die Kleinen prägt, lässt sich nicht verleugnen und darf in seiner Wirkung nicht unterschätzt werden. Deshalb haben es die Erwachsenen auch in der Hand, durch das, was sie tun und sagen, dazu beizutragen, dass ihre Kinder einen normalen Umgang mit diesen Dingen des Lebens finden. Die Einflüsse von aussen sind dann immer noch prägend genug.

Es gibt eine Reihe von Empfehlungen für ein „kindgerechtes“ Vorbild-Verhalten, damit die Kids lernen können, zu ihrem Körper und seinem Gewicht ein normales Verhältnis zu finden:

– wenn Eltern selber übergewichtig sind, sollten sie nicht negativ über ihr Gewicht und ihre Essgewohnheiten sprechen
– wenn Eltern eine Diät machen, sollten sie möglichst wenig darüber sprechen, und wenn, dann darüber, dass sie der Gesundheit dient, nicht dem Gewichtsverlust…
– wenn das Kind zu dick ist, soll es nicht auf Diät gesetzt werden, im Gegenteil: es soll zusätzlich reichlich Früchte und Gemüse essen, so wie alle Familienmitglieder
– wird ihr Kind oder einer seiner Kameraden wegen Übergewicht verspsottet, so sprechen sie darüber, dass es eben sehr verschiedene Menschen gibt, nach Grösse, Gewicht, Haarfarbe und Gechicklichkeit… und dass gerade diese Verschiedenheiten das Leben reizvoll machen
– kaufen sie keine Spielsachen oder Spiele, welche die Botschaft vermitteln, dass im Leben nur Erfolg habe, wer perfekt aussieht; wählen sie „durchschnittliche“ Puppen statt Barbies und prüfen sie, ob PC-Spiele keine fatalen Bilder vermitteln

Un wenn in der Schule ein Kind wegen seines Gewichts gehänselt wird, so sollte man dies dem Lehrer oder der Lehrerin melden, denn solcher Spott ist ein grundsätzliches Thema, das in der Klasse diskutiert werden muss.




11/5  Krieg dem Amt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:49

Sie würden künftig „als geschlossene Kampffront auftreten“, lässt sich ein Protagonist jenes Wirtschaftsverbände-Verbunds in der heutigen Sonntagspresse zitieren, von dem ich bereits vor drei Wochen hier geschrieben habe. Die Gruppe marschiert im Gleichschritt mit der IG Freiheit und ihr erklärtes Ziel ist es, die Präventionsbemühungen des Bundesamtes für Gesundheit bezüglich Tabak- und Alkohol-Missbrauch und auch für ein gesundes Körpergewicht zu torpedieren. Prominentes Aushängeschild der Anti-Präventions-Bewegung ist der Thurgauer Eisenbahnbauer Peter Spuhler, der vom Bundesrat z.B. wissen will, was denn das in Prävention investierte Geld nütze, wenn die Zahl der Raucher und Raucherinnen doch nicht weiter abnehme.

Das martialische Säbelrasseln passt gut zur politischen Herkunft der freiheitswütigen Schlagetots: was den eigenen Gewinn und die private Bereicherung schmälern könnte, muss weggebombt werden; um ein Präventionsgesetz zu verhindern, wird jetzt schon mit dem Referendum gedroht. Das wäre zwar an sich ein urdemokratischer und legitimer Vorgang, der in der Praxis aber leider verbunden ist mit massiven Angriffen auf die Person des BAG-
Direktors. Dieser braucht im Moment dringend die solidarische Unterstützung aller, denen die Volksgesundheit ein höheres Anliegen ist als das uneingeschränkte Wachstum der Genussindustrien. Wer ein Zeichen setzen will, der kann im Internet eine Solidaritätserklärung unterzeichnen, die von Public Health Schweiz ausgearbeitet wurde. Es braucht dazu nur einige Klicks, angefangen hier. Und sonst wird man sich wohl eine Guerilla-Taktik ausdenken müssen, um den selbsternannten Kriegsgurgeln Paroli zu bieten.




10/5  Pfingstochse

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:43

Dass es an Pfingsten Stau auf den Autobahnen gibt, das hat sich in unser Bewusstsein eingeprägt, seit wir uns in den Blechkisten vorwärtsbewegen. Und seit wir bewusst das Pfingstfest als ein kirchlich bestimmtes Element des Brauchtums wahrnehmen, geistert der Pfingstochse neben dem Stau durch unsere Vorstellung.

Aber was es mit ihm genau auf sich hat, davon hatten wir lange nur eine sehr undeutliche Wahrnehmung. Das einprägsamste Bild ist noch das von einem Ochsen, der am Spiess gebraten wird, zum Festschmaus an Pfingsten eben, und wie es mit Ochsen am Spiess so ist: es ist eine gewaltige Sache. Zuerst braucht es ein Stahlgerüst, das kräftig genug ist, die knappe Tonne Fleisch und Knochen zu tragen. Dazu eine Vorrichtung, die den Spiess zu drehen vermag, sei es mit einem Motor oder von Hand getrieben. Und das ist ein hartes Stück Arbeit, wenn das Tier einmal dran hängt. Sodann muss quasi am Vortag eingefeuert werden, mit hochwertigen und gut gelagerten Holzscheiten. Soll der Ochs am Abend verspiesen werden, muss er spätestens am Mittag über der Glut zu schmoren beginnen, langsam und stetig kreisend in den aufsteigenden Hitzewellen… Emanzipierte Ochsen kommen heute schon fertig ausgeweidet und in Silberfolie gehüllt, am Spiesse steckend zum Einsatz, so dass sie nur noch ins Gestell gehängt und gedreht werden müssen.

Die Kunst der Stierrösterei besteht darin, dass man genügend Geduld und Fingerspitzengefühl beweist, um das Fleisch so richtig zart garen zu lassen, dass es sich in saftigen Tranchen von den Knochen schneiden lässt, nicht zäh und ledrig oder gar bitter wird, sondern kross im Ansatz und mürbe im Biss. Es handle sich, sagen die Historiker, beim Verzehr des Pfingstochsen möglicherweise um die Erinnerung an frühere Tieropfer aus vorchristlicher Zeit. Das braucht mich nicht zu kümmern, solange der Bissen schmeckt. Aber wer, bitte, brät heute noch zu Pfingsten einen Ochsen am Spiess?




9/5  Zuckerschnabel

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:22

Der französische Ausdruck für Leckermaul hat etwas Poetisches: „bec sucré“ (gezuckerter Schnabel). Zucker ist das Allerweltsmittel, um bittere Pillen schmackhaft zu machen, wie wir aus dem Musical Mary Poppins wissen. Und Zucker macht dick.

Die Weltgesundheitsorganisation gibt Richtlinien heraus, wieviel von welchen Nährstoffen im Blick auf einen gesunden Lebenswandel zu empfehlen sei. So wird klar ein reduzierter Salzverzehr gefordert (in der Schweiz liegen wir deutlich über diesem Limit) und auch beim (raffinierten) Zucker wäre eine Menge von maximal 50 Gramm pro Tag angesagt. Wie gross der Zucker-Anteil in einem Lebensmittel sein darf, das wird nicht festgelegt, man überlässt es dem Konsumenten, sich in sogenannter Selbstverantwortung zu organisieren. Der Lebensmittelindustrie wirft man vor, sie füge gern überall etwas mehr Zucker bei, weil er haltbar macht und den guten Geschmack verstärkt… man soll auf Zucker süchtig werden.

Dass die Industrie auch anders kann, wenn der Markt es verlangt, das zeigt ein interessantes Beispiel. Der amerikanische Lebensmittelkonzern Kraft Foods stellt Schoko-Bisquits der Marke Oreo her, die sich durch extreme Süsse und hohen Zuckergehalt auszeichnen. Als er dieses Produkt in China verkaufen wollte, stellte sich heraus, dass die Chinesen so viel Süsse gar nicht mögen. Und Kraft veränderte das Rezept, reduzierte den Zuckergehalt, worauf die weniger süssen Bisquits zum Marktrenner wurden…

Der Konsument hätte es also in der Hand. Im Moment wird er allerdings immer noch in die gegenteilige Richtung konditioniert: bei meinem gestrigen Einkauf im Supermarkt habe ich unter dem Euro 2008-Logo einen grossen Stapel von 850-Gramm-Gläsern Nutella gesehen. Auf ihnen prangen die Lose, mit denen Tickets zu gewinnen sind. Die Gläser sind so gross, dass man gezwungen ist, den langen Löffel zu nehmen, um aus ihrer Tiefe zu schöpfen. Wer grosse Packungen kauft, der isst auch mehr, das haben Studien schlüssig bewiesen. Und wer ein Zuckerschnabel ist, der hat ohnehin keine Chance auf Widerstand.




8/5  Sansculotte

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:47

Aktuell ist das Thema ja nun wirklich nicht mehr. Mehr als zwei Wochen sind vergangen, seit die Geschichte die Runde durch die Medien gemacht hat, irgendwo zwischen Unglücksfällen und Nachrichten aus Absurdistan, unglaublich und doch exotisch und spektakulär… unterlegt mit einem Schuss hämischer Schadenfreude und etwas Trost.

Es ist die Historie von dem dicken Italiener (man sieht ihn vor sich, als wäre er eben einem Schwarzweiss-Film von Fellini entsprungen, kurzatmig und verschwitzt), der sich im Supermarkt gebückt hat, so unglücklich, dass ihm die Hose über dem prallen Hintern aufgeplatzt ist und den Blick frei gab auf die darunter liegenden bzw. hängenden primären Körperteile, denn es fehlte die Unterhose. Diese gebückte Erregung öffentlichen Ärgernisses (irgendwann muss sich der ärmste wohl doch wieder aufgerichtet und seine unfreiwillige Blösse mit etwas Nützlichem bedeckt haben!) führte zu seiner Verhaftung und zu einem Gerichtstermin… Aber der Richter war milde gestimmt, vielleicht sogar selber etwas solide gebaut, also mitfühlend, und akzeptierte für das Fehlen der Unterhose die Erklärung, es sei schwierig, eine solche in der nötigen Grösse zu beschaffen. Der Mann wurde freigesprochen.

Warum ich jetzt, so lange danach, diese Geschichte noch bringe? Sie ist mir heute wieder in den Sinn gekommen. Ich war im Migrosmarkt, schob den immer grössser werdenden Einkaufswagen vor mir her, als eine dünne Packung Bündnerfleisch zwischen den Metallstäben durchflutschte und zu Boden fiel. Ich bückte mich, um sie aufzuheben… und in diesem Augenblick zuckte mir die Geschichte vom italienischen Unglückswurm durch den Kopf: was wäre, wenn sich meine Hose mit lautem Ratsch in zwei Hälften teilen würde…? – Ich packte das Trockenfleisch, richtete mich schnell wieder auf und war erleichtert. Nichts ist gerissen, meine Hose aus strammem Jeansstoff ist solide genäht… und überhaupt: ICH hätte eine Unterhose gehabt.




7/5  In der Fettzelle

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:45

Als ich heute im Zug von Basel nach Zürich unterwegs war, meldete sich das Telefon. Am andern Ende Radio 24. Ob man mich zu einem aktuellen Thema befragen könne? Aber sicher.

In einer Gratiszeitung sei eine neue Studie aus Schweden veröffentlicht worden. Man habe herausgefunden, dass sich durch Diäten und andere Gewichtsreduktionsmassnahmen die Anzahl der Fettzellen nicht verringern liesse. Diese würden in der Kindheit und Jugend ausgebildet und wer reichlich davon besitze, der müsse sein Lebtag lang damit zurechtkommen.

Ich sagte, dass mich diese Erkenntnis nicht überrasche, dass dies vielmehr die Bestätigung sei für einen Tatbestand, der seit Jahren kolportiert wird: Fettzellen „verschwinden“ nicht beim Abnehmen, sie entleeren sich allenfalls, geben die flüssige Energiereserve preis, aber bleiben als aufnahmebereite Speichergefässe vorhanden, jederzeit in der Lage, sich wieder zu füllen, wenn Energie im Überfluss vorhanden ist, die nicht verbrannt und verbraucht wird. Daher ja auch die fatale Bereitschaft des Körpers zum Jojo-Effekt. Und daher auch die bedrückende Rückfallquote von 85% bei den meisten Abnehm-Versuchen.

Einzige Ausnahme – wenn es gut geht – ist die operative Entfernung von ganzen Fettpaketen in der sog. „Fettschürze“. Die sind dann weg… aber auch sie können – wenn es schlecht geht – mit der Zeit wieder „nachwachsen“. Umstritten ist auch der langfristige Erfolg beim Fettabsaugen, das ohnehin zur Adipositas-Therapie nicht taugt, sondern bestenfalls für kosmetische Feinkorrekturen angewendet werden sollte – wenn überhaupt.

Dass das ganze Fettgewebe, das sich im Bauchbereich ansammelt, eine Art von „Organ“ bilden kann, das eigene Hormone aussendet und aktiv zur Gefährdung des Organismus beitragen kann, das ist eine neuere Erkenntnis, die noch nicht so bekannt ist. Die Fettzelle hat es also – im wahren Sinn des Wortes – in sich.




6/5  Es ist ein Fluch

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:40

Übergewicht ist eine hinterlistige, heimtückische Krankheit. Sie schleicht sich an, ergreift Besitz von dir und du wiegst dich lange Zeit in Sicherheit, denkst, mir passiert ja nichts, wenn ich will, habe ich sie im Griff.

Andere Krankheiten sind auch gemein, aber offen und unverblümt. Ich war heute an einer Fachtagung des Ernährungs-Netzwerkes Nutrinet und im Mittelpunkt stand das Thema der Allergien und Unverträglichkeiten gegenüber bestimmten Lebensmitteln. Es ging um Erfahrungen, die Betroffene machen, um die Risiken und Gefahren bei der Herstellung von Nahrungsmitteln und um die Vorkehren, die geteroffen werden müssen in der Produktion und vor allem auch in der Gastronomie.

300’000 Menschen sind in der Schweiz von der einen oder anderen Lebenmittel-Allergie betroffen. Ihre Körper reagieren panisch auf jeden Kontakt mit kleinsten Mengen von bestimmten Substanzen. Die Symptome können vielfältig sein, von Hautausschlag über Übelkeit, Schwindel, Magenverstimmung, Blähungen, Schluckbeschwerden, Jucken am ganzen Körper… die Palette der Störungen ist nicht absehbar, aber vor allem: bei einem „falschen“ Verhalten erfolgt die Reaktion oft sehr rasch oder doch innerhalb von Stunden. Das ist lästig, beschwerlich, einschränkend und gefährlich im Alltag… aber die Sofort-Reaktion des Körpers mit einer ganzen Reihe von Abwehr-Mechanismen ist gleichzeitig auch ein Schutz und eine permanente Mahnung, aufzupassen und Vorkehren zu treffen, jeden Bissen Nahrung sorgfältig zu planen und abzusichern, um das Schlimmste zu vermeiden.

Beim Übergewicht ist es anders. Der Diabetiker vielleicht, der erlebt die Strafe für falsches Verhalten recht rasch und auch messbar. Aber der Adipöse geht vordergründig straffrei aus. Ihm liegt vielleicht eine Entgleisung in der Nacht noch etwas auf… aber eigentliche, „krankheitswerte“ Folgeerscheinungen hat er nicht. Jedenfalls nicht sofort. Die Quittung ereilt ihn erst später, wenn der Hosenbund wieder zwickt und wenn die Waage ein fettes Plus anzeigt. Aber dann ist das erneut Gewonnene kaum mehr wegzubringen. Man mag sich verfluchen und Besserung schwören, Vorsätze fassen, Konsequenz geloben… genau bis zum nächsten Sündenfall, den man vielleicht mental zur Kenntnis nimmt, innerlich vielleicht mit Scham bedauert, aber der einen nicht unmittelbar in die Schranken weist, fluchbeladen, wie man ist.




5/5  Ohne S

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:45

Das ist die einfachste Ernährungslehre zum Abnehmen… und sie soll funktionieren, gerade WEIL sie so einfach ist: die No S-Diät. – Sie geht ganz simpel und verzichtet dreimal auf etwas, das mit S beginnt. Natürlich in Englisch:

No Snacks (keine Zwischendurch-Esserei)
No Sweets (keine Süssigkeiten)
No Seconds (kein Nachschlag)

Ausser – das ist die Ausnahme von der Regel – manchmal an Tagen mit S… also Samstag und Sonntag. – Einfacher geht es nun wirklich nicht. Da gibt es keine verbotenen Lebensmittel, kein Kalorienzählen, keine besonderen Kombinationen und gar nichts… Man kann ganz normal von allem essen, aber eben: Süssigkeiten konsequent auslassen (das ist einfacher, als nur wenig nehmen wollen und dann nicht aufhören können!), nur einmal schöpfen (das führt zu moderaten Mengen, weil es sich von selber versteht, dass man dann nicht in den alten Buffet-Fehler verfallen darf und sich einen Teller so hoch auftürmt, dass man auf dem Weg zum Tisch die Hälfte davon wieder verliert… und fast das Wichtigste: nur zu den fixen Zeiten essen, wenn es geht zweimal am Tag, wenn nötig dreimal.

Dieser Grundraster lässt sich noch kombinieren mit gewissen individuellen Präferenzen bezüglich Fett und Kohlenhydraten, mit denen man schon gute Erfahrungen gemacht hat, und dann soll, so besagen jedenfalls die zahlreichen begeisterten Reaktionen, dem Erfolg nichts im Wege stehen. Ein Versuch kann es allemal Wert sein, fast ohne S. Und ohne Kosten.




4/5  Schnausen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:53

Schnausen ist ein sympathisches Wort. Es hat einen zärtlichen Klang, tönt fast ein wenig wie Schmusen. Als würde man Lebensmittel liebkosen. Es ist kein gieriges Schlingen, aber auch kein rein sachbezogenes Sich-Verpflegen, kein automatisches In-Sich-Hineinstopfen: es ist ein genussvolles Sich-Annähern an eine leckere Nahrung.

Kein Wunder, habe ich für die Herausgabe unserer Esstyp-Broschüre den „Snack-Eater“ mit „Schnauser“ übersetzt: er mag vielleicht aus Langeweile immer wieder zwischen den Mahlzeiten zu Knabberzeug greifen und es – vielleicht unbewusst und spontan – in seinen Mund schieben, aber in seinem Herzen ist er einer, der es geniesst, gute Dinge auf seiner Zunge zergehen zu lassen, auch ohne dass ein Hungergefühl ihn dazu antreiben würde.

Kann Schnausen satt machen? Eigentlich nicht, denn dem Schnausen wohnt die Eigenschaft des „Versuchens“ inne: man isst gleichsam zur Probe, man kostet ein wenig, prüft die Bekömmlichkeit, ehe man sich definitiv auf den Verzehr einlässt. Es ist ein Flirt mit dem Essen, aus dem durchaus eine leidenschaftliche Beziehung entstehen kann, eine kulinarische Amour Fou, die keine Grenzen mehr kennt. Frisch geschnaust ist halb gespiesen.