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Von Heinrich von Grünigen um 20:30 |
In der Zeitung lese ich in einem feuilletonnistischen Bericht zum Filmfestival von Locarno, dass wieder einmal alles beisammen war, was sich wichtig nimmt, aus Politik, Kultur, Wirtschaft, Journalismus und dem ganzen Kitt, der diese Dinge zusammenhält.
Nur einer fehle, wurde geschrieben, dessen Gesicht sonst aus Locarno nicht wegzudenken war: Fredi M. Murer, inzwischen zu Recht zur Legende gewordener CH-Filmer der ersten Stunde in der neuen Generation „nach Solothurn“. Sei über 40 Jahren unverrückbarer Pfeiler im Geschiebe der siebten Kunst, und sonst wirklich unverzichtbar.
Diesmal sei er abwesend, weil er nach einer Knie-Operation das Bett hüten müsse. Lieber Fredi, nicht, dass ich mich mit dir vergleichen möchte… aber heuer haben wir zufällig etwas Gemeinsames. Und ich grüsse dich respektvoll aus der Ferne, quasi von Knie zu Knie.
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Von Heinrich von Grünigen um 20:30 |
Hier in der Kurklinik grüsst man sich freundlich, wenn man sich im weissen Bademantel beim Lift trifft oder wenn man zum Essen unterwegs ist. Wer an Krücken geht, nimmt mit Interesse den Zustand seiner Nachbarin, seines Nachbarn zur Kenntnis. Manche sprechen mich an, weil sie mich oder mein Bild schon irgendwo gesehen haben. Viele wissen den Namen oder so ähnlich. Einen tapferen Annährungsversuch hat der Gast gemacht, der mich in breitem Berndeutsch an der Bar ansprach: Grüessech, gäuet, dir syt doch der Herr Lugibüehl! Und ein anderer, der sich zuerst schüchtern näherte, war vor 40 Jahren im Militär meine Of-Ordonnanz.
Wenn neue Gäste kommen, gibt es neue Begegnungen. Heute Morgen beim Frühstück. Ich setze mich an den Tisch neben zwei gestandenen Frauen, aus Zürich, so wie sie reden. Und während ich meine übliche Bestellung aufgebe, höre ich unterdrückte Wortfetzen mit, die sie austauschen: …der vom Fernsehen… mit den Dicken… hat mit dem Arzt zusammengearbeitet… der dann gehen musste… du weisst doch…– Und ich merke, wie sie mich von der Seite mustern.
Dann kommt der erste Teller mit dem Rührei und den kross gebratenen Specktranchen, und bald das zweite Tellerchen mit den Käsestücken und dem Bündnerfleisch… und ich sehe förmlich in der Luft die unausgesprochenen Sätze mit den Ausrufezeichen: Der sollte doch abnehmen! Kein Wunder, ist der so dick! Das will ein Vorbild sein? Geht es noch? – Aber diese Sätze werden nicht formuliert, auch nicht leise gezischelt, obwohl sie unüberhörbar vorhanden sind.
Ich überlege mir, ob ich selber etwas sagen soll. Ob ich einen Karton zum Aufstellen machen müsste: Dies ist eine ketogene Ernährungsweise, ohne Kohlenhydrate, damit habe ich – auf ärztliche Empfehlung – in drei Wochen bereits acht Kilo abgenommen… – Aber ich verzehre in aller Ruhe weiter mein Frühstück. Die beiden Damen erheben sich und verabschieden sich mit einem vielsagenden Blick… aber vielleicht habe ich mir das alles auch nur eingebildet. So eine Art Kur-Psychose…
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Von Heinrich von Grünigen um 21:27 |
Die zweite Woche hat begonnen und alles läuft in geordneten Bahnen, Fortschritte nach allen Richtungen sind messbar, auch wenn jeder sagt, ich solle nichts überstürzen. Eigentlich ist das, worüber ich mich heute in der x-ten Wiederholung etwas geärgert habe, gar nichts, worüber zu ärgern sich richtig lohnen würde… sondern es ist im Prinzip ein erfreuliches Zeugnis von Auftragstreue und Pflichterfüllung.
Das Reinigungspersonal zieht diskret seine Runden durch die Stockwerke, wie in jedem Hotel, pünktlich und zuverlässig, gründlich, sauber und freundlich. Aber sie haben ihre offenbar eingespielten Rituale und Regeln, die sie wie automatisch ausführen und in jedem Zimmer wiederholen. Da gibt es ein wunderschönes, elegantes TV-Gerät, das auf einer Lade seitlich aus dem Schrank gezogen werden kann, damit man von Bett aus die Sendungen sieht. Dieses Gerät habe ich sorgsam so in Position gebracht, dass es im richtigen Winkel zur Lampe steht, damit sich kein störender Lichtreflex abbildet. Die Putzleute aber drehen jeden Vormittag mit beharrlicher Konsequenz das Gerät in seine ursprüngliche Position zurück und schieben die Lade in den Schrank, so dass vom Bett aus garantiert kein Bild zu sehen ist… warum?
Desgleichen habe ich mir auf der Ersatz-Liege, wo meine Kniebeuge-Maschine installiert ist, aus Kissen und Wolldecken eine Kopfstütze gebastelt, so dass ich während der Übungen an der mechanischen Installation vorbei TV schauen kann… Aber wenn die Putzkolonne ihres Amtes gewaltet hat, sind die Bestandteile meines Kissenstapels wieder verräumt, ordentlich, wie es sich gehört… will man mich didaktisch gschickt dazu bringen, dass ich spezielle Aufgaben löse?
Und bei Tisch verzichte ich seit einer Woche auf Kohlenhydrate. Man begrüsst mich mit Namen, weiss, dass ich die Menüs „nur mit Gemüse“ bestelle und mich beim Frühstück auf ein wenig Rührei, eine Scheibe mageres Trutenfleisch und etwas halb- oder viertelfetten Käse beschränke… aber trotzdem fragen die Service-Leute jedes Mal mit verführerischem Flötenton in der Stimme: Und darf ich ihnen noch ein Stück vom ofenfrischen Ruchbrot bringen..? – Eines ist klar: hier wird Pflichterfüllung gross geschrieben.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:58 |
Mein Besuch hat mir heute die aktelle Ausgabe von GesundheitSprechstunde mitgebracht. Dazu gibt es ein Sonderheft mit dem plakativen Titel REHA. Und da ich den Verlag als seriös kenne, mache ich mich natürlich sofort auf die Suche nach der Beschreibung des Etablissements, in dem ich mich nun schon seit einer Woche zu meiner grossen Zufriedenheit aufhalte. Mal schauen, ob sich unsere Erfahrungen und Eindrücke decken.
Aber welche Enttäuschung: ich suche Hof Weissbad vergebens. Auf der tabellarischen Übersicht mit dem Vergleich der Angebote und Leistungen sind ganze 19 Häuser augeführt. Das kann doch nicht alles sein? Im Inneren des Heftes wird auf eine Liste der „anerkannten Kurhäuser“ hingewiesen, die sich im Internet abrufen lässt. Wir führen diese Liste auch auf der Link-Plattform der SAPS. Ganze 59 Kliniken sond dort im Detail beschrieben und natürlich fehlt auch meine temporäre Heimstätte nicht.
Schon beginne ich mich zu fragen, was denn wohl die getroffene Auswahl bestimmt haben mag? Wurden alle angefragt und in die Kränze kam nur, wer bereit war, etwas zu bezahlen? So dass sich in der Übersicht vor allem jene finden, die Reklame brauchen? Ich weiss es nicht, es ist reine Spekulation, die nicht zuletzt genährt wird durch das Wissen um die allgemeine Verknappung der Mittel auf helvetischen Redaktionen…
Als ich dann – wie wohl viele LeserInnen – das Editorial ganz am Schluss aufschlage, finde ich dort den erläuternden Satz: Wir porträtieren einige ausgewählte Kliniken… – Ok, ist akzeptiert, frei von Hintergdanken. Lesenswert sind vor allem die allgemeinen Hinweise zu den Kriterien, nach denen Krankenkassen die Kur bezahlen – oder nicht. Und was es sonst noch an organisatorischem und adminisrativem Wissen braucht, ehe man eine Kur antritt. Es ist jedenfalls eine komplexe, hilfreiche und weithin unbekannte Facette unseres Gesundheitswesens, wenn man nicht schon selber mal drin gesteckt hat.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:18 |
Während der ganzen zweieinhalb Wochen seit der Operation beschleicht mich von Zeit zu Zeit eine selbstkritische Frage: Wenn ich an den Stöcken durch die Hotelhalle humple und kaum in der Lage bin, eine Zeitung unter den Oberarm geklemmt zu halten, und wenn man mir sagt, dass dies mindestens drei Monate lang so sein wird, dann befällt mich gelegentlich der Gedanke, was ich durch diesen Eingriff effektiv gewonnen habe?
Gut, die Schmerzen sind weg, solange ich die Tabletten nehme, aber das ist ja noch der Heilungsprozess. 10 bis 15 Jahre „hält“ das Implantat, steht im Prospekt, dann bin ich Anfang achtzig. Und wenn ich nicht zu wild in die Berge steige und noch etwas abnehme, hält es vielleicht länger.
Mit einer ähnlichen Fragestellung sind häufig die Magenoperationen bei Adipositas konfrontiert: vor allem bei Menschen, die wenig wissen über die Hintergründe der Krankheit, und bei Krankenkassen, die mmer noch ncht begriffen haben, dass die Investitition in eine bariatrische Operation in der Regel die wirtschaftlichere Lösung ist. Eine aktuelle Studie in Deutschland hat dies erneut bestätigt. Die Erkenntnis beruht auf der Auswertung von 25 medizinischen und sieben gesundheitsökonomischen Studien und zeigt auf, dass sich durch die chirurgischen Eingriffe Magenband und Magenbypass die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern lässt, dass Begleiterkrankungen zurückgehen und dass sich die Gesundheitskosten im Zusammenhang mit Adipositas verringern lassen.
Die Autoren der Studie hoffen, dass durch die Publikation dieser Resultate die heute noch sehr resriktive Haltung der Krankenkassen in Deutschland positiv beeinflusst wird. Die Erkenntnisse decken sich mit den Erfahrungen, die in der Schweiz gemacht werden.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:25 |
Der chinesische Olympia-Zauber beherrscht die Bildschirme und eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass die Veranstaltung unter anderem mit einem gigantischen Feuerwerk eröffnet wird, kommt doch das meiste, was unsere Kids am 1. August so krachen lassen, schon lange aus China. Jetzt wars halt ein Heim-Feuerwerk.
Aufgefallen ist mir, dass auf allen Kanälen eine neue olympische Disziplin praktiziert wird: das Polit-Betroffen-Sein. Denn man hat ja alles seit Jahren und Jahrzehnten gewuss. Naiv ist die Annahme, es würde sich das bevölkerungsreichste Land der Welt in seinen bewährten Grundmechanismen um die eigene Achse drehen und plötzlich von gestern auf heute zu einem Musterknaben an Toleranz und Meinungsfreiheit und Menschenrechten mutieren, wo doch schon wir, die wir uns für die Erfinder der demokratischen Grundrechte halten, nur allzuoft in einen Fettnapf in der Grauzone stolpern.
Angesichts der Kräfte, die die Welt bewegen – und ich spreche hier nicht nur von dem Feuerwerk, das etwas weniger kunstvoll aber dafür mit umso tödlicherer Wirkung über Süd-Ossetien hereingeprasselt ist – ist das kleine Leben in der Rehabilitations-Station sehr unbedeutend. Patienten sind abgereist, neue sind gekommen, das erste Wochenprogramm ging zuende, es liegen zwei Tage vor uns, an denen wir auf uns selber gestellt sind, wo wir in eigener Verantwortung und nach eigener Disziplin das Gelernte üben können bzw. müssen; keine terminierten Therapien, nur die Mahlzeiten sind fix. Und vielleicht kommen Besucher.
Auf jeden Fall liegt es alleine an uns, was wir aus diesem Wochenende machen und wie wir es nutzen werden. Das Weter, hört man, sei durchzogen. Aber Ausflüge liegen ohnehin noch nicht drin. Ich werde mich mit der Leichtigkeit des Schreitens im Wasser befassen: eine in dieser Form neue Empfindung. Nachdem du dich an den Krückstöcken schwerfällig durch dei Gänge gestemmt hast, kannst du im brusthohen Pool mit federleichter Eleganz dahingleiten, schreiten, vorwärts und seitwärts, auf Zehenspitzen, mit weit ausholenden Schritten… Man trägt nur noch 10 Prozent seines Körpergewichts. Ideale Voraussetzung für eine disziplinierte Rückkehr in die Welt der Gehenden.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:36 |
In ihrem Kommentar zu meinem gestrigen Eintrag hat Lilly eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die ich gerne beantworte. Angefangen mit dem aktuellen Gewicht: in den vier Tagen seit Beginn der Rehabilitation habe ich 1,6 Kilo abgenommen. Das ist ein recht vernünftiges Resultat. Allerdings haben wir – der Arzt und ich – festgestellt, dass ich bei meinem Eintritt am Sonntag nicht auf der hiesigen Waage gewogen wurde, sondern dass ich einfach das noch im Spital erfasste Gewicht angegeben hatte… so könnte es sein, dass die beiden Waagen nicht synchron messen. Deshalb wird der Vorgang am kommenden Montag wiederholt, dann muss der Trend klar sein.
Ich habe in meiner Übergewichts-Karriere so praktisch alles mit- und durchgemacht, was der Markt an Möglichkeiten geboten hat. Man wusste ja in den 60er Jahren noch viel zu wenig über den verheerenden Jojo-Effekt, so dass ich mich durch allzu rigorose Massnahmen richtiggehend im Gewicht hochgeschaukelt habe. – Nachdem ich unter ärztlicher Anleitung durch sanfte Ernährungsumstellung und gezielte, dosierte zusätzliche Bewegung 35 Kilo abgenommen hatte, gelang es mir, dieses neue Gewicht fast acht Jahre lang zu halten, was als Erfolg betrachtet werden darf. – Die zunehmenden Abnützungs-Schmerzen im Knie haben dazu beigetragen, dass ich mich die letzten zwei Jahre kaum noch zu Fuss „bewegt“ habe, gleichzeitig dieses Manko aber nicht durch zusätzlichen Verzicht bei der Ernährung kompensierte. So meldete sich leider ein erheblicher Teil der abgebauten Kilos wieder zurück. Das wäre vielleicht zu vermeiden gewesen, aber ich habe es nicht geschafft.
Gute Erfahrungen habe ich gemacht, als ich vor einigen Jahren konsequent nach dem Rezeptbuch „minus-plus“ (inzwischen vergriffen) gekocht habe. Ein Jahr lang habe ich so erfolgreich und in kleinen Schritten abgenommen; aber insgesamt war mir der Aufwand für die Vor- und Zubereitung der Speisen zu gross und liess sich nicht auf Dauer in meinen Alltag integrieren. – Mein Problem ist, dass ich ein lustvoller Esser und Geniesser bin, und obwohl es mir heute nicht am Wissen über das „richtige“ Verhalten mangelt, erlaube ich mir zuweilen Abweichungen vom empfohlenen Pfad und denke, das könnte ich morgen oder übermorgen wieder „kompensieren“. In Einzelfällen geht das, aber die Gefahr ist gross, dass das Kompensations-System ausser Kontrolle gerät und man plötzlich keine Chance mehr hat, die Differenz wieder einzuholen.
Noch ein Wort zum Schrittzähler: das ist in der Tat ein geniales Hilfsmittel und seine motivierende und unterstützende Wirkung ist anerkannt. Mir allerdings hat das Ding gerade geschadet, als ich vor einigen Jahren wild entschlossen versuchte, mein tägliches Pensum von mindestens 12’000 Schritten zu erbringen: in meinem blinden Eifer hatte ich meine Knie strapaziert und die Folgen sitze ich jetzt letzlich hier ab, wo es mir gut geht und ich auch hoffe, auf den rechten Pfad zurück zu finden.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:27 |
Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, die Empfehlung von Lilly umzusetzen und einfach so mal das Dinner Cancelling zu praktizieren. Keine Versuchung, keine Verfehlung, keine Zusatzlast morgen auf der Waage… Als dann aber vom Vorplatz her die lüpfigen Weisen einer appenzöllischen Hackbrett-Gruppe erklangen, packte mich die Neugierde. Mal hören und sehen…
Und der Zufall wollte es, dass ich dabei mit einem alten Kollegen zusammentraf, dem guten Radio-Wetterfrosch, mit dem ich vor vielen Jahren gemeinsam Sendungen entwickelt und Konzepte umgesetzt hatte… Er ist hier in den Ferien und es brauchte die Einladung gar nicht, an seinem Tisch Platz zu nehmen, und schon stürzten wir uns in die gemeinsamen Erinnerungen, nicht nur was die Medienarbeit und deren aktuelle Entwicklung betrifft, es gab auch im Militär Überschneidungen und gemeinsames Erinnern an Kameraden und spezielle Ereignisse…
Dass ich es trotz der sprudelnden Weisst-du-noch-Redeseligkeit geschafft habe, den ganzen Appenzeller Spezialitäten-Abend auf zwei kleine Tellerchen zu reduzieren, eines mit winzigen Kostproben vom Fleischbüffet und eines mit erlesensen Käse-Miniaturen, das erfüllt mich mit einem gewissen Stolz. Die Waage wird es weisen.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:13 |
Der Stationsarzt hat mir auf seiner zackigen Morgenvisite angekündigt, dass es am Donnerstag auf dei Waage gehe. Verschmitzt fügte er bei, ich würde ja automatisch leichter, wenn er erst die gegen 30 Metallklammern herausgenommen habe, die jetzt noch den knapp 20 cm langen Schnitt über das Knie zusammenhalten, so dass es aussieht wie ein kleiner Rollbraten. Es wird ein wunderliches Gefühl sein, ich habe es noch in kindlicher Erinnerung, als seinerzeit, vor fast 60 Jahren, die „Fäden“ aus der Blinddarm-Narbe entfernt wurden, was eine Empfindung auslöste, als müsste beim nächsten Luftholen der ganze Bauch aufplatzen, so halt- und schutzlos, wie er geworden sei…
Aber zurück zum Gewicht: ich war mit dem Vorsatz angekommen, den Kuraufenthalt auch dazu zu nutzen, wieder einige Kilos abzubauen, und zwar dauerhaft, wenn ich mich dann dank geflickten Knies wieder besser bewegen könnte. Die Vorzüge der flexiblen Menüwahl habe ich schon beschrieben und ich versuche mich daran zu halten, auch wenn es mir nicht immer zu 100 Prozent gelingt, da doch zuweilen die Lust über die Vernunft obsiegt. Aber der Onkel Doktor meint es ernst. Wenn die Waage am Donnerstag kein positives Resultat zeige, könne man auch die schon knappe und kalorienbewusste Kost sehr leicht noch weiter verknappen…
Und damit entsteht das Ess-Dilemma: da zahlst du eine erkleckliche Summe für einen Aufenthalt mit Halbpension, siehst täglich die opulenten Buffets, liest die appetitanregenden Menüpläne und muss dir einhämmern: für das viele Geld darfst du jetzt nichts von alledem essen. Oder fast nichts. Natürlich kann man sich damit behelfen, dass man die teuersten der kalorienfreien Essens-Angebote nimmt. Und es ist auch nicht so, dass diese nicht schmecken würden. Aber wie erkläre ich dem Doc, dass das Gewicht am Donnerstag nur deshalb nicht stimmt, weil es am Vorabend eine gewaltige Auswahal an Appenzeller Spezialitäten gab?
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Von Heinrich von Grünigen um 23:07 |
Der Tagesablauf hier ist diskret organisiert. Am Morgen erfolgt die Arztvisite vor dem Frühstück im eigenen Zimmer… das ist ein wenig wie im Spital, aber sehr angenehm. Dann ein Frühstücksbüffet, nach dem sich viele Mehrsternhotels die Finger schlecken könnten, mit Angeboten aus der Region in einer solchen Fülle, dass wohl kein Tag wie der andere schmecken wird…
Wer zur Rehabilitation kommt, kriegt einen „Klinik-Pass“, in dem die fixen Termine vermerkt sind, in der Regel zwei pro Tag. Dazwischen bleibt viel Zeit für eigenverantwortete Aktivitäten: wer gut zu Fuss ist, kann an Gruppenwanderungen teilnehmen, geführten Besichtigungen, Rundgängen, an Nordic-Walking-Touren, Gymnastik-Lektionen an Land und im Wasser… das alles ist nichts für mich, meine Ziele sind bescheiden. Ich stöckle – wie einige andere auch – mit meinen Krücken ein wenig ums Haus, achte auf die Bewegungsabläufe, wie man sie mir in der Physiotherapie erklärt hat und bin froh, wenn ich nicht zu sehr ausser Atem komme: der vollständige Einsatz von Beinen und Armen braucht Kraft und zehrt.
Die meiste Zeit verbringe ich auf dem Bett mit der gleichen Maschine wie noch im Spital: mehrere Stunden pro Tag muss ich die Beweglichkeit des Knies verbessern; bloss ist dieses Modell hier wesentlich neuer, hat eine Fernbedienung, so dass ich laufend den Winkel korrigieren und die Leistung steigern kann. – Heute auch erstmals ein Besuch in der Massage, wo die von der Operation betroffenen Muskeln aus der Reserve gelockt und gefödert werden.
Die grösste Herausforderung ist jedoch die Planung er täglichen Verrichtungen: plötzlich hat man keine Hand mehr frei, man muss sich mit Tricks behelfen und Arbeitsschritte festlegen, bis man nur angezogen ist. Und es wird mir mit aller Deutlichkeit bewusst, wie priviligiert man ist, wenn man „nichts“ hat, un wie schwer es doch für viele Menschen, Kanke, ist, die ihr ganzes Leben mit physischen Einschränkungen zu kämpfen haben und überhaupt nur durch die tätige Unterstützung und Hilfe von Dritten über die Runden kommen. Insofern ist dieser Aufenthalt, neben allen hotelmässigen Annehmlichkeiten, auch Anlass zu Nachdenklichkeit und bescheidenem Innehalten. Alles braucht seine Zeit.
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