Kategorie: Allgemein
Von Heinrich von Grünigen um 16:43 |
Ich habe Wort gehalten. Letzte Woche hatte ich mich gegen „meine“ Physiotherapeutin aufgelehnt, als sie mit mir um die Klinik laufen wollte. Das sei, sagte ich ihr, doch eine reine Verschwendung des Knowhows, das sie sich mit ihrer Ausbildung angeeignet hatte. Ums Haus laufen könne ich zur Not auch alleine, wenn sie nicht irgendwelche Messungen an mir vornehmen wolle. Mir wäre es lieber, sie würde die verbleibenden Therapiestunden noch nutzen, um mir Übungen und Trick zu zeigen, die ich zuhause als Training weiter praktizieren könne.
Sie war einverstanden, aber ich musste hoch und heilig versprechen, dass ich übers Wochenende einen autonomen Rundgang machen würde und ihr ehrlich berichte, wie viele Zwischenstopps ich einlegen müsse. Ich versprach es. Und heute Nachmittag raffte ich mich dann auf, bestellte noch den Pfleger vom Pikett zum Zeugen, falls Zweifel an meiner Redlichkeit aufkämen, und zog los.
Zuerst ging es von der Terrasse vor dem Aufenthaltsraum durch den Park zum Therapie-Zentrum, von dem aus wir den Rundgang normalerweise starteten. Es wehte ein kräftiger Föhnwind, der mir mal ins Gesicht schlug, um mich nach der nächsten Wegbiegung von hinten anzuschieben. Ich war überrascht, wie mühelos mir dieser Gang zum Start erschien. Das stimmte mich zuversichtlich.
Nach einer kurzen Ruhepause machte ich mich auf den Weg. Ohne Stöcke und mit ruhigen, kurzen Schritten, immer auf den Atem achtend, um sparsam mit der Energie umzugehen. Ich kam an all den Stellen und Parkbänken vorbei, an denen ich bei meinem ersten Rundgang angehalten hatte oder abgesessen war, und die Distanzen schienen mir zu einer lächerlich kurzen Strecke geschrumpft zu sein. Natürlich lockten die Sitzbänke kräftig und verführerisch, aber ich kämpfte den inneren Faulpelz nieder und ging – piano, piano – weiter.
Einen einzigen Zwischenhalt musste ich einlegen, kurz nach der Mitte der Strecke, wo der sanfte Anstieg zum oberen Stockwerk begann… Warten, bis der Puls sich beruhigt hatte und weiter bis ans Ziel, auch diesmal nonstop. Achtzehnmal musste ich vor drei Wochen anhalten – jetzt hatte ich es mit einer einzigen Verschnaufpause geschafft!
Aber geschafft war ich selber. Und froh darüber, dass ich meinen Geldbeutel entgegen meiner ursprünglichen Absicht doch nicht in die Trainerhose gesteckt hätte, sonst hätte ich mich mit Sicherheit im Restaurant, durch das mich der Weg wieder zurück in die Klinik führte, für meine „Leistung“ mit einer Latte Macchiato und einer Crèmeschnitte belohnt.
Kategorie: Allgemein
Von Heinrich von Grünigen um 22:03 |
Es hat wenig Dicke, hier. Die Klinik ist nicht speziell auf übergewichtige PatientInnen ausgerichtet. Zwar hat es überall Stühle ohne Seitenlehnen, in den Behinderten-WCs gibt es Closomat (alter Schule)… aber ein Bewegungsprogramm, das sich gezielt an eine adipöse Klientel wenden würde, habe ich nicht angetroffen.
Zwar gibt es ein paar „schwere“ Fälle, teils im Rollstuhl, teils auf Krücken… ein Herr hat mich beim Krafttraining angestrahlt und verkündet, dass er bis vor einiger Zeit auch noch so schwer gewesen sei wie ich… jetzt habe er abgenommen – und er hebt das T-Shirt hoch, um mir die geschrumpfte Fettschürze zu zeigen – er habe einen Magenbypass machen lassen. Er würde es sofort wieder tun.
Er klemmt sich wie ich in die teils zu knappen Fitness-Maschinen, auch er hat sich offenbar länger nicht mehr ausreichend bewegt, es fällt ihm so schwer, wie es mir am Anfang gefallen ist. Dass die Therapie-Liegen, wie sich gezeigt hat, meinem Gewicht nicht gewachsen sind, ist auch ein Indiz. Wie sich jetzt herausgestellt hat, sind sie bis 120 Kilo geprüft… seitdem darf ich nur noch auf eine der wenigen einteiligen und solideren Unterlagen klettern.
Die Physiotherapeutin räumt ein, dass sie in ihrer Ausbildung keine besonderen Hinweise auf den Umgang mit schwergewichtigen Patienten erhalten habe… Ein Thema, das in Zukunft unweigerlich an Bedeutung gewinnen wird, denn die Generation der Adipositas-Betroffenen wird zwangsläufig früher oder später auch in Reha-Klinken anzutreffen sein, und zwar in grösserer Anzahl als wir es hier und heute sind.
Ok, meinte der Chefarzt, als ich ihn auf diesen Umstand ansprach, es seien ja dann doch nicht alle so wie ich und für das Mittelfeld – sprich: bis 120 Kilo – fühle man sich technisch gerüstet.
Wie auch immer: Sensibilisierung ist der erste Schritt zur Einsicht, die später mal in Handeln mündet. Die nach uns kommen, werden offene Türen finden.
Kategorie: Allgemein
Von Heinrich von Grünigen um 21:21 |
In vier Tagen werde ich entlassen. Heute war der Mediziner-Tross da um eine erste Bilanz aufzunehmen. Wie mein Befinden sei? Ob der Aufenthalt etwas gebracht habe? Ob mein Ziel erreicht sei?
Ehrlicherweise sagte ich auf die letzte Frage: Nein. – In drei Wochen ist das, was ich mir erhoffe, von niemandem zu erreichen. Um ans Ziel zu gelangen – nämlich: beschwerdefrei über längere Strecken gehen, keine Knieschmerzen mehr haben, markant Gewicht verlieren, fit(ter) werden – ist es noch ein weiter Weg, den nicht nur gute Vorsätze pflastern, sondern auch einiges an Durchhaltewille, das, was ich hier gelernt und erfahren habe, auch in meinem Alltag anzuwenden.
Erst dann kann es möglich sein, dem ursprünglichen Ziel näher zu kommen. Meine Antwort gefiel den Medizinern. Die konsequente Umsetzung des Gelernten ist und bleibt die zentrale Voraussetzung für einen Erfolg.
Allerdings, sagte der Chefarzt, gibt es zwei Handicaps, die Ihnen das Leben weiterhin schwer machen: Das eine ist Ihr Herz. Seit dem Infarkt ist es in seiner Tätigkeit eingeschränkt, das lässt sich nicht reparieren, mit dem müssen Sie sich arrangieren. Das zweite ist Ihr Gewicht. So lange es bleibt wie es ist, bleibt jede Bewegung mühsam und qualvoll… aber erst konsequente Bewegung kann helfen, eine Reduktion einzuleiten.
Mit dem Aufenthalt in der Klinik habe ich den Versuch unternommen, aus dem Teufelskreis auszubrechen. Man hat mir Wege und Mittel dazu aufgezeigt. Wie zuverlässig ich sie jetzt dann anwende, liegt in meiner Verantwortung. Unmöglich sei es nicht. So nehmen wir die letzten Tage und Lektionen noch als Chance und nicht als Pflicht.
Kategorie: Allgemein
Von Heinrich von Grünigen um 19:06 |
Heute wars wie im Hochsommer. Die Sonne brannte gegen die grossen Fenster im Schlafsaal und in den Therapie-Räumen und man hatte das Gefühl, in einer Sauna zu schuften. Der Schweiss floss in strömen. Und draussen tobte der Föhn in einer Windstärke, die uns alle verblüffte.
Immer genügend trinken! das war und ist die ärztliche Ermahnung bei jeder Visite, um der Niere Gutes zu tun. In jedem Schlafsaal steht eine Batterie von Halbliterflaschen mit gratis Passugger und dem kohlensäurefreien Allegra. Dumm nur, dass das Wasser in den Flaschen nach kurzer Zeit die Zimmertemperatur angenommen hat und lauwarm wird… da lobt man sich das Hahnenwasser, das aus jedem Lavabo fliesst. Im Trainingsbereich ist an jeder Ecke ein Trinkbrunnen mit einem Becher-Spender, so dass wir uns nach Belieben mit frischem, kühlem Wasser abfüllen können. Durst muss hier niemand leiden. Auch zum Essen gibt es nur Wasser.
Trinken, so viel man will! Offenbar ein Trend aus USA, der unlängst in Frankreich Fuss gefasst hat: zwei Fastfood-Ketten – Quick und KFC – haben die Neuerung eingeführt als Marketing-Gag: wer ein Menu isst, kann gezuckerten Sprudel à discrétion trinken. Das sei, klagen die französischen Gesundheitsexperten, ein Schlag ins Gesicht aller Bestrebungen zu einer vernünftigen Ernährung. Besonders störend sei, sagen sie, dass die Aktienmehrheit am Unternehmen Quick (mit landesweit 400 Filialen)dem Staat gehört – dem gleichen Staat, der vor drei Jahren eine Steuer auf gezuckerten Getränken eingeführt hat.
Laut einer Umfrage sind es vor allem Junge und minderbemittelte Kreise, die sich zunehmend mit Fastfood verpflegen und die vom unlimitierten Sprudel-Angebot „profitieren“. Der Unfug sei zu verbieten, fordern die besorgten Gesundheitsleute. Aber noch ist der Durst grösser.
Kategorie: Allgemein
Von Heinrich von Grünigen um 17:12 |
Eigentlich hatte der Tag ja gut angefangen. Auf dem Weg zum Frühstück bin ich noch schnell auf die Waage gehüpft – bildlich gesprochen. Denn es ist eine spezielle Waage, etwa einen Quadratmeter gross, liegt sie am Boden, ganz flach, wie eine Vieh-Waage en miniature. Gedacht ist sie für Patienten im Rollstuhl, die auf diese Fläche fahren können und so ihr Brutto-Gewicht erhalten, von dem sie dann die Tara – den Rollstuhl – abrechnen können.
Bei mir zeigte die Waage heute früh fast zwei Kilo weniger als bei der letzten Messung. Das bestätigte meine gestrige Empfindung, dass mir die Badehose wieder eine kleine Spur lockerer zu sitzen schien. Jedenfalls bekräftigte es mich in meinem Bestreben, bei der Menü-Wahl weiterhin auf leichte Kost und kleine Portionen zu achten. Den Erfolg gilt es zu halten.
Die Retourkutsche kam etwas später beim „Selbsttraining“. Hier galt es, die bisher erlernten Übungen selbständig durchzugehen und zu absolvieren, zur Vorbereitung auf das richtige Verhalten, wenn man wieder daheim ist und der innere Schweinehund sich mit hämischen Bemerkungen zu Wort meldet…
Ich absolvierte also fleissig meine Aufgaben, übte Aufstehen und Absitzen, Treppensteigen, Kniestrecken und -beugen, Dehnen an der Sprossenwand, etc. Und um am Ende der Selbst-Lektion meine Turnschuhe wieder anzuziehen, setzte ich mich auf das Fussende einer dieser motorisierten Therapie-Liegen… das hatte ich früher auch schon gemacht. Nicht ohne eine gewisse Koketterie hatte ich am ersten Therapie-Tag die Therapeutin, die mich angewiesen hatte, mich dort zu setzen, gefragt, ob das Gestell denn mein Gewicht aushalten würde… Klar, sagte sie, die Dinger sind stabil.
Ich setzte mich also wie gewohnt… – und: Krawummm!!! – Der untere Teil der Liege knickte mit einem knirschend-polternden Laut von der Mitte her ab und ich sass am Boden, rieb mir erstaunt die Augen und schaute in die erschrocken-verblüfften Gesichter der Mit-Patienten, die rundum auch ihre Übungen absolvierten. Da war also die gesamte Schwerkraft wieder da, die zwei Kilo hatten mich nicht gerettet.
In der späteren Therapie-Stunde setzte ich mich jeweils ganz vorsichtig mittig auf die Liege und bewegte mich nur diskret. Der angerichtete Schaden reichte mir völlig.
Kategorie: Allgemein
Von Heinrich von Grünigen um 17:24 |
Vielleicht kann er täuschen. Aber mit der Zeit stellt sich der Eindruck ein, das Laufen sei die wichtigste Therapie. Jedenfalls für mich. Der Weg vom Zimmer in den Therapiebereich beträgt rund 150 Meter. Für jede Lektion geht man ihn zweimal, einmal hin, einmal zurück. Meine Lektionen sind so geplant, dass zu viel Zeit dazwischen liegt, um auf die nächste Lektion zu warten. Also laufe ich. Bis zu zwei Kilometer am Tag – eine Strecke, an die ich früher nicht in meinen kühnsten Träumen zu denken gewagt hätte.
Dazu kommt noch der Rundweg um die Klinik, den ich tatsächlich mit viel weniger Zwischenhalten zurücklege als am Anfang. Heute gab es eine Neuerung: ich erhielt Walking-Stöcke zum Laufen, mit Gummi am Ende, sie klicken und klacken nicht wie die Stöcke der penetranten Nordic-Walker. Es ist eine neue, andere Art, sich abzustützen, die Hände in den Schlaufen, die Arme bewegt, bei jedem Schritt helfen sie mit, anders als die vertrauten Krücken, auf die man zur Entlastung einen Teil seines Gewichts abstellen kann.
Das Gehen fühlte sich mi den Stöcken irgendwie sportlicher an, beschwingter, aber die Erschöpfung und die Atemlosigkeit sind geblieben. Fast scheint es mir, als würde die Arm-Muskulatur zusätzlichen Sauerstoff verbrauchen, den das Herz extra durch die Adern pumpen muss, was mich noch schneller an den Rand der Erschöpfung bringt… aber das sei eine Täuschung, sagt die Therapeutin, die das wissen muss. Vielleicht fehlt mir einfach noch die Übung. Aber die Vorstellung widerstrebt mir, wie ein Wanderprediger mit Rucksäcklein und Stöcken für den Rest meiner Tage durch die Landschaft zu stapfen…
Ich muss das mit dem richtig Laufen auch ohne Stöcke schaffen!
Kategorie: Allgemein
Von Heinrich von Grünigen um 16:47 |
Zum Glück lässt uns der Therapie-Plan auch Ruhepausen. Die kann ich neben dem eigentlichen Ausruhen gut nutzen, um büromässig in Kontakt und am Ball zu bleiben, denn die Verlängerung des Aufenthaltes ist mit einigen Terminen kollidiert, die sich nun melden.
Von Vorteil ist die omnipräsente elektronische Kommunikation. So habe ich es endlich geschafft, unsere Broschüre über die Adipositas-Chirurgie, die schon in zweiter Auflage vergriffen war, für die dritte Auflage zu bearbeiten, nachdem mir die befragten Experten ihren Input längst geliefert hatten.
Auch die Arbeiten am Bericht für das BAG über die Möglichkeiten einer Optimierung der Adipositas-Therapie in der Schweiz müssen voran gehen, auch wenn sich einzelne Gesprächspartner noch schwer tun mit der Vorstellung, ihre Karten auf den Tisch zu legen.
Sodann habe ich verschiedene Artikel versprochen und es geht darum, die Dezember-Ausgabe unseres SAPS-Magazins zu planen. Das alles geht bei geordnetem Kurbetrieb so quasi nebenbei, auch dank der Fern-Unterstützung aus dem Büro, dem ein grosser Dank gehört.
Und morgen ist wieder Arztvisite, da ist dann mehr zu erfahren über die Fortschritte und über weitere Perspektiven. Interessant ist ein Befund, den ich heute realisiert habe: „subjektiv“ ging es mir vor Antritt der Kur „besser“ als im Moment, da mir viele Knochen und mehrere Muskeln weh tun. „Vorher“ hatte ich mich innerhalb der beschränkten Möglichkeiten, die ich hatte, so eingerichtet, dass ich nirgends zu stark an Grenzen stiess und nur das machte, was problemlos möglich war. – „Jetzt“ bin ich gefordert, werde zu vermehrter Leistung angetrieben, spüre, dass ich an Grenzen komme, die ich überschreiten müsste… und das ist unbequem, ja gar unangenehm. Aber es heisst wohl, dass man sich da durchbeissen muss und dass das Befinden später auch „objektiv“ besser sein wird.
Kategorie: Allgemein
Von Heinrich von Grünigen um 17:22 |
Hier in der Kur gehören die Mahlzeiten zum strukturierenden Ritual. Es ist eine leichte, ausgewogene Küche, die wenig Salz verwendet und die Portionen in vernünftiger Grösse hält. Früchte sind jederzeit frei verfügbar und auch der Nachtisch ist meist „leicht“ gehalten… Die wesentliche Verführungsfalle besteht im opulenten Salatbüffet, das nicht nur klassische Blattsalate bietet, sondern auch wahlweise Kartoffelsalat, Nudelsalat, Bohnensalat, Radieschen, Gurke, Karotten, Sellerie, Rotkraut, Oliven mit gedörrten Tomaten, Cole-Slaw, Zuckermais und vieles mehr, dazu Sesam-, Sonnenblumen- und Kürbiskerne (gegen Prostata werde ich bis ans Ende meines Lebens gefeit sein!), sowie geröstete Brotwürfel, gehackte Zwiebeln, Schnittlauch, Hack-Ei und fünf verschiedene Saucen… und ab und zu etwas Siedfleisch-Salat oder – wie heute wieder – eine Auswahl an Terrinen. Zum Glück sind die Salat-Schälchen nicht zu gross, sonst würde sich die Hauptmahlzeit erübrigen.
Die Bedeutung der richtigen Ernährung für das gesundheitliche Wohlergehen ist mittlerweile unbestritten. Im September haben sich auf europäischer Ebene die zuständigen Organe in Kopenhagen zu einer Konferenz getroffen um einen Europäischen Nahrungs- und Ernährungs-Aktions-Plan 2015-2020 zu diskutieren. Europäische Gesundheitsorganisationen begrüssen diesen Vorstoss als einen wichtigen Meilenstein im Kampf gegen die nicht-übertragbaren, durch die Ernährung mit verursachten Krankheiten. Sie sichern den Regierungen ihre fachliche Unterstützung zu, wenn es um die Umsetzung von Massnahmen geht, die nur dann wirken, wenn sie konsequent durchgezogen werden, wie etwa ein flachendeckendes Verbot von Werbung für ungeeignete Lebensmittel, die sich an Kinder richtet, und die trotz entsprechenden Zusagen seitens der Industrie immer wieder unterlaufen werden. Dies nur ein Beispiel.
Hier oben ist man weit weg von diesen weiträumigen politischen Debatten. Dadurch, dass man untertags ohnehin keinen freien Zugang zu irgendwelchen Lebensmitteln hat, ist das Risiko eines Fehlverhaltens sowieso eingeschränkt.
Ein wunderschöner Herbstsonntag geht zu Ende, den ich beim Spaziergang im Klinik-Park genossen habe, freiwillig und ohne Anstrengung. Aber es ist doch eine gute Perspektive, dass in einer halben Stunde das Abendessen serviert wird. Der Weg zu meinem Tisch Nr. 120 führt am Salat-Büffet vorbei.
Kategorie: Allgemein
Von Heinrich von Grünigen um 22:55 |
Am Morgen eine einzige Lektion: Wassergymnastik in der Gruppe. Das Thermalbad ist warm, fast heiss, für manche ungewohnt. Wir üben alle möglichen Arten zu gehen, auf den Fersen, den Zehenspitzen, vorwärts, rückwärts, seitwärts, die ganze Bassin-Länge, vom niedrigen bis ins tiefe Wasser, und es ist spannend, zu erleben, wie das eigene Körpergewicht sich „verändert“, je nachdem, wie viel davon oberhalb und wie viel unterhalb der Wasserfläche ist.
Als ich nach dem Duschen aus der Umkleidekabine trete, steht im Eingang zum Bad ein reichlich dicker Mann und sieht mich an. Mit seinem Finger zeigt er auf mich und sagt: Sie sind doch der Journalist! – Ich entgegne, das lasse sich nicht abstreiten. – Der Übergewichts-Professor! sagt der dicke Mann mit breitem Grinsen. – Ja, sage ich, man sieht es… Wir lachen zu zweit.
Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt, dass man mich „erkennt“. Immer mehr MitpatientInnen sprechen mich an auf einen TV-Auftritt, auf einen Artikel oder erinnern sich an meine Stimme vom Radio, wenn auch oft verbunden mit einem fragenden Unterton, ob ich „es“ denn auch wirklich sei. Und ich frage mich, wie es denen geht, die „richtig“ bekannt sind, die fast täglich auf dem Bildschirm zu sehen sind, die keine Privatsphäre mehr haben und sich nirgends inkognito bewegen können, ohne dass man sie beobachtet oder anspricht…
Aber so schlimm ist es zum Glück nicht, im Gegenteil, man kommt ins Gespräch als Leidensgenossen im Therapie-Prozess und gewinnt so etwas wie spontane Vertrautheit. Wir sitzen im gleichen Boot.
Kategorie: Allgemein
Von Heinrich von Grünigen um 17:34 |
Schon ist die zweite Woche vorbei. Therapien und Trainings werden zur Routine, kleine Erfolge summieren sich, die Bedienung der Geräte im Kraftraum wird geläufig… einziger Nachteil: mit zunehmendem Erfolg und verbesserter Leistung wird die Belastung erhöht. Kaum freust du dich darüber, dass die Übungen „leichter“ gehen, wird an der Schraube gedreht, ein neues Gewicht angehängt und du stehst wieder am Start.
In der Nacht hatte ich einen bösen Traum, der mir auch noch am Tag nachgegangen ist. Weshalb träumt man so was? Was kann das bedeuten? Ich sass im Traum in der Strassenbahn. Diese fuhr nicht die gewohnte Strecke sondern schwenkte in einen Platz, wo es eine Wendeschleife gab. Diese wiederum führte auf der einen Seite extrem knapp an einem hohen Mauer entlang. Kurz bevor die Strassenbahn den Scheitelpunkt der Schlaufe erreicht hatte, näherte sich von vorn in hohem Tempo ein Radfahrer. Dieser versuchte auszuweichen und zwischen Bahn und Mauer durchzukommen – – – und ich musste vom Wagen aus durch das Fenster zusehen, wie der Velofahrer buchstäblich in der schmalen Lücke zerrieben wurde.
Am Fernsehen gab es nichts dergleichen, auch kein irres YouTube-Video auf facebook… was soll also der Graus? Gibt es nicht schon genügend Grausamkeiten im richtigen Leben? – Vielleicht lautet die Botschaft aus meinem Unterbewussten, ich solle zufrieden sein, dass ich es so gut habe, hier in der Wendeschleife des Gesundheitswesens bequem mitfahren zu können, während es armen Teufeln draussen in der Welt viel schlimmer ergehe?
Die Belastungen im heutigen Programm kamen mir jedenfalls relativ erholsam vor.
|
Info
Letzte Artikel
Suche
Facebook
Archiv
|