19/10  Belastungsprobe

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:44

Im Diskussionsforum der SAPS tauchen mitunter Fragen aus dem Alltag übergewichtiger Menschen auf, die so banal wie verblüffend und doch auch bewegend, erschütternd sind. So war vorgestern zu lesen:

„Hallo. Ich hab ein total doofes Problem und hoffe Ihr könnt mir helfen. Wiege 137 Kilo und habe immer Angst, dass die Stühle krachen können. Ich hab schon Angst irgendwo hinzugehen, weil ich total Panik hab, dass ein Stuhl mein Gewicht nicht tragen kann. Weiss nicht wieso. Hat das jemand von euch auch so? Und was meint ihr, wieviel Gewicht kann ein normaler Stuhl, wie z.B. im Theater und so tragen?“

Ich kann die Fragerin beruhigen, was die technische Seite ihres Anliegens betrifft: Als ich seinerzeit 165 Kilo wog, ist nie ein Stuhl unter mir zusammengekracht. Einige haben erbärmlich geseufzt und einzelne Gartenstühle sind im weichen Erdreich versunken, Liegestühle wurden von mir prophylaktisch verschont und in Festhütten habe ich mich immer so auf die Bänke gesetzt, dass diese nicht weggekippt sind, wenn andere aufstanden… aber kein Kino- und kein Theatersessel hat je mit Krachen unter mir nachgegeben.

Die Belastung der Seele und des Selbstwertgefühls, von der in dieser Frage zwischen den Zeilen die Rede ist, hat allerdings ein wesentlich gnadenloseres Ausmass.

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Nachtrag, nachdem die Gattin meinem Erinnerungsvermögen auf die Sprünge geholfen hat. Es sei tatsächlich vorgekommen, dass einst – zu Besuch bei Freunden – ein nigelnagelneuer Stuhl in die Brüche gegangen sei (worauf das Möbelhaus das ganze Set anstandslos ersetzt habe). Und in der Tat: Schaden an Stühlen ist meistens dann entstanden, wenn die seitliche Verleimung schon schwach war und durch die Leibesfülle auseinander gesprengt wurde. – Ja, und dann taucht da aus der Tiefe des Erinnerns noch jenes irgendwie beschämende Erlebnis auf, als ich mich in hoher Notdurft und schwungvoll auf die Brille einer neu installierten WC-Schüssel setzte… und mitsamt dieser und noch einigem anderem (ein unerkannter Vorgänger des grossen Chris von Rohr!) auf den Plättliboden knallte. Man vergisst und verdrängt eben schnell. Aber es lag an der ungenügenden Dübelung, wie der Hausdienst in einer Material-Analyse später feststellte.