30/9  Ab und zu ein wenig…

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:37

Enttäuschung für Intervall-Faster. Kaum hat sich die 16:8-Methode über unzählige Frauen- und Szeneheftli als eingängige Massnahme zur Gewichtsreduktion profiliert, kommt die spröde Wissenschaft und entzieht ihr den Boden unter den abgemagerten Füssen…

Dabei hatte sich die Formel so lustfreundlich angelassen: während 8 Stunden am Tag nach Herzenslust schnabulieren, wonach einem der Sinn ist… und dann 16 Stunden lang fasten (den grössten Teil davon in Morpheus‘ Armen, begleitet von leckeren Träumereien).

Die Feedbacks vieler Anwender*innen waren begeistert und überschwänglich. Nicht nur, dass es relativ „leicht“ fiel, sich an das Regime zu halten, offenbar purzelten auch die Pfunde einigermassen erfreulich.

Und nun hat eine Forschergruppe in USA einen Vergleichs-Test angestellt mit übergewichtigen Proband*innen. 116 Männer und Frauen hatten während 12 Wochen in zwei Gruppen an dem Versuch teilgenommen. Die einen hielten sich an die Intervall-Vorgaben und assen nur zwischen 12 und 20 Uhr, während die andern sich den ganzen Tag über nach Lust und Laune verpflegen konnten.

Am Ende wurde gewogen, wobei die „Intervaller“ bloss eine kaum messbare Menge mehr abgenommen hatten, dabei jedoch deutlich mehr Muskelmasse verloren hatten, als bei anderen Diäten üblich und als empfehlenswert. So dass das Fazit vernichtend ausfiel: vom Intervallfasten wird dringend abgeraten!

Wie kommt es denn zu all den positiven Rückmeldungen? Meine Interpretation geht dahin, dass die 16:8-Methode für unkontrollierte Snacker eine wirksame Struktur bietet und ein 16-stündiger Verzicht schon mal von Vorteil sein kann. Dazu kommt, dass viele Promotoren de Intervallfastens gleichzeitig gezielt bestimmte Menus empfehlen, welche zu einer Veränderung des früheren Essverhaltens führen können. Interessante Informationen dazu liefert z.B. die Webseite „Gesundheitsbox“ mit umfassenden Informationen zur Intervall-Praxis. Wem’s hilft…




9/9  Unausrottbar

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:42

Aufklärung tut not. Jeden September publiziert die Informationsgruppe Erfrischungsgetränke ihren „Monitor Ernährung und Bewegung“, eine gfs-Studie, bei der 1’000 SchweizerInnen nach ihrer Einstellung zu Fragen der Ernährung und Bewegung gefragt werden. Dabei steht ein Thema immer im Zentrum: der seriöse Nachweis, dass eine Mehrheit der Bevölkerung gegen eine Zuckersteuer wäre und überhaupt nichts hält von staatlichen Eingriffen in die freie Marktwirtschaft.

So weit, so gut, das ist das Recht einer Branchen-Organisation, für die Anliegen ihrer Klienten zu kämpfen und in der Öffentlichkeit geschicktes Lobbying zu betreiben. Denn eine Zuckersteuer fürchten sie wie der Teufel das Weihwasser, obwohl nur noch ein Teil ihrer Produkte-Palette mit „richtigem“ Zucker gesüsst ist.

Ich war sonst bei der Präsentation dieser Studie immer dabei und konnte unsere Sicht der Dinge einbringen. Diesmal habe ich es – corona-bedingt – nicht geschafft und muss mich auf die Medienmitteilung und auf die Studie selbst abstützen. Diese enthält einige interessante Erkenntnisse zu den Veränderungen der Einstellung des Publikums zu einzelnen Fragen, auf die ich hier jedoch nicht im Detail eingehen möchte. Später mehr davon.

Was mir aber in der Kurzfassung der Resultate aufgefallen ist, das ist ein Satz, der mich nachdenklich macht: „Die Schweizerinnen und Schweizer sind überzeugt, dass gesunde Ernährung eine Frage des Willens ist und Übergewicht auch auf mangelnde Bewegung zurückgeführt werden kann. Dieses Wertebild bleibt über die Befragungsjahre in seinem Grundsatz konstant.“

Da ist es also wieder (oder immer noch), das unausrottbare Vorurteil, dass die Dicken an ihrem Zustand selber Schuld sind und dass sie ihr Gewicht problemlos in den Griff bekommen könnten, wenn sie denn nur wirklich wollten… Der faule, willensschwache, genussorientierte Mensch, der sich nicht ausreichend bewegt, ist selber und allein die Ursache seines Dickseins.

Wenn ich so etwas lese, wird mir übel. Dabei, das muss ich zugeben, ist das ja nicht diskriminierend gemeint: die Verfasser der Studie geben nur wieder und fassen zusammen, was bei der Befragung herausgekommen ist, ob uns das passt oder nicht. Dieser Befund belegt jedoch klar, dass es nach wie vor an einer umfassenden, verständlichen und eingängigen Aufklärung und Information über die multifaktoriellen Ursachen von Übergewicht und Adipositas mangelt. Darüber hinaus auch: dass es uns als Patientenorganisation in all den Jahren offensichtlich nicht gelungen ist, hier wirksam Gegensteuer zu geben.

Das ist eine Herausforderung, die wir annehmen müssen und wollen. Wir müssen unsere Anstrengungen verstärken, Fakten und Erkenntnisse unter die Leute zu bringen, um gegen diese Vorurteile anzukämpfen. Das ist nach wie vor nicht einfach.

Es gibt viel zu tun.




7/9  Fat Lives Matter

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:59

Eigentlich eine sympathische Botschaft. Vermittelt wird sie von der Blick-Kolumnistin und Autorin Ursula von Arx in ihrem heutigen Beitrag mit dem Titel „Gesundheit ist Glückssache“: sie kritisiert darin den aktuellen Fitness- und Schlankheitswahn und wehrt sich gegen die Diskriminierung übergewichtiger Menschen. Dies unter anderem mit dem Hinweis auf das oft verwendete lateinische geflügelte Wort vom „gesunden Geist im gesunden Körper“, das meist falsch verstanden und interpretiert werde, im Sinne, dass nur in einem gesunden (sprich: schlanken) Körper auch ein gesunder Geist stecken könne. Dabei ergibt sich aus dem Zusammenhang des ganzen Wortlauts die Aufforderung, sich zu wünschen, dass in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist anzutreffen sei…

Von Arx ruft auf zu einem öffentlichen Bekenntnis mit dem Slogen „Fat Lives Matter“, das sie zudem noch verbindet mit dem Wunsch nach einem (grossen) Stück Schwarzwäldertorte mit viel Schlagrahm. „Alles wird gut“ meint sie abschliessend.

Ist das so? Eine Leserin hat auf die Kolumne reagiert und weist auf die Vorteile eines „gesunden“ Körpergewichts hin, auf das Fehlen von Begleiterkrankungen und all den physischen Einschränkungen, die massives Übergewicht im Alltag mit sich bringt…

Es ist sowohl wahr als auch unwahr: die jüngste Erhebung der Schweizer Gesundheitsdaten zeigt, dass die Anzahl übergewichtiger und adipöser Menschen nach wie vor ansteigt – wenn auch (erfreulicherweise) nicht mehr so stark wie in den letzten Jahren. Für Betroffene kann es vorübergehend tröstlich und entlastend sein, wenn man ihnen zu verstehen gibt, sie sollen sich nicht um ihr Gewicht sorgen, sondern das Leben geniessen und mit ihrem Körper Frieden schliessen… Aber dieser Frieden steht leider auf medizinisch wackligen Füssen, denn früher oder später holen uns die gesundheitlichen Probleme ein. Es lohnt sich also, bewusst und ohne Panik allfällige Vorkehren zu treffen. Damit dies gelingen kann, ist der Slogan „Fat Lives Matter!“ extrem nützlich, denn er stärkt das Selbstvertrauen.