9/9  Unausrottbar

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:42

Aufklärung tut not. Jeden September publiziert die Informationsgruppe Erfrischungsgetränke ihren „Monitor Ernährung und Bewegung“, eine gfs-Studie, bei der 1’000 SchweizerInnen nach ihrer Einstellung zu Fragen der Ernährung und Bewegung gefragt werden. Dabei steht ein Thema immer im Zentrum: der seriöse Nachweis, dass eine Mehrheit der Bevölkerung gegen eine Zuckersteuer wäre und überhaupt nichts hält von staatlichen Eingriffen in die freie Marktwirtschaft.

So weit, so gut, das ist das Recht einer Branchen-Organisation, für die Anliegen ihrer Klienten zu kämpfen und in der Öffentlichkeit geschicktes Lobbying zu betreiben. Denn eine Zuckersteuer fürchten sie wie der Teufel das Weihwasser, obwohl nur noch ein Teil ihrer Produkte-Palette mit „richtigem“ Zucker gesüsst ist.

Ich war sonst bei der Präsentation dieser Studie immer dabei und konnte unsere Sicht der Dinge einbringen. Diesmal habe ich es – corona-bedingt – nicht geschafft und muss mich auf die Medienmitteilung und auf die Studie selbst abstützen. Diese enthält einige interessante Erkenntnisse zu den Veränderungen der Einstellung des Publikums zu einzelnen Fragen, auf die ich hier jedoch nicht im Detail eingehen möchte. Später mehr davon.

Was mir aber in der Kurzfassung der Resultate aufgefallen ist, das ist ein Satz, der mich nachdenklich macht: „Die Schweizerinnen und Schweizer sind überzeugt, dass gesunde Ernährung eine Frage des Willens ist und Übergewicht auch auf mangelnde Bewegung zurückgeführt werden kann. Dieses Wertebild bleibt über die Befragungsjahre in seinem Grundsatz konstant.“

Da ist es also wieder (oder immer noch), das unausrottbare Vorurteil, dass die Dicken an ihrem Zustand selber Schuld sind und dass sie ihr Gewicht problemlos in den Griff bekommen könnten, wenn sie denn nur wirklich wollten… Der faule, willensschwache, genussorientierte Mensch, der sich nicht ausreichend bewegt, ist selber und allein die Ursache seines Dickseins.

Wenn ich so etwas lese, wird mir übel. Dabei, das muss ich zugeben, ist das ja nicht diskriminierend gemeint: die Verfasser der Studie geben nur wieder und fassen zusammen, was bei der Befragung herausgekommen ist, ob uns das passt oder nicht. Dieser Befund belegt jedoch klar, dass es nach wie vor an einer umfassenden, verständlichen und eingängigen Aufklärung und Information über die multifaktoriellen Ursachen von Übergewicht und Adipositas mangelt. Darüber hinaus auch: dass es uns als Patientenorganisation in all den Jahren offensichtlich nicht gelungen ist, hier wirksam Gegensteuer zu geben.

Das ist eine Herausforderung, die wir annehmen müssen und wollen. Wir müssen unsere Anstrengungen verstärken, Fakten und Erkenntnisse unter die Leute zu bringen, um gegen diese Vorurteile anzukämpfen. Das ist nach wie vor nicht einfach.

Es gibt viel zu tun.


Ein Kommentar zu “Unausrottbar”

  1. Studien zeigen, dass das Problem des übermäßigen Zuckerkonsums vor allem die ärmsten Bewohner betrifft. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sind Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen doppelt so häufig fettleibig wie Kinder aus wohlhabenderen Familien.

    Die Armen werden mehr unter der Steuer leiden, denn wie jede Verbrauchssteuer ist sie in erster Linie in ihrer Tasche.

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