30/6  Was diskriminiert uns?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:17

DAS MAGAZIN hat etwas ausgelöst. Ein E-Mail-Wechsel war die Folge einer Foto auf dem Titelbild der letzten Ausgabe der Wochenend-Beilage der Tamedia-Zeitungen. Sie zeigt einen stark übergewichtigen Mann, der an einem Wirtshaus-Tisch sitzt, vor sich ein Gedeck mit einem halbleeren Glas, offenbar hat er schon gespeist. Er schaut mit einer Mischung aus Skepsis und Unmut nach der Person, die ihn mit ihrem Fotoapparat ins Visier gefasst hat.

Der Mann sitzt, der Bildlegende nach, in einem griechischen Speiselokal. Das Bild weist auf Rezepte zu kulinarischen Höhepunkten rund um den Erdball hin, hat also Symbolcharakter. Oder Soll es uns noch eine andere Botschaft vermitteln?

Ein Leser hat sich mit dieser Frage an den Chefredaktor des Magazins gewandt: „Was wollen Sie mit dem schwergewichtigen Mann auf dem Titelbild sagen?“ Und erhielt von diesem prompt die lakonische Antwort: „Nichts. Es ist einfach ein Grieche.“

Dass diese Auskunft den Fragesteller nicht zu befriedigen vermochte, liegt auf der Hand. Er empfindet, wie er schreibt, das Bild als „verstörend“ und „für viele Übergewichtige (Adipositas) ein Affront.“ Ein Durchschnitts-Grieche, argumentiert er, sehe anders aus. Eher wie Zorbas (alias Anthony Quinn, der im Film ja eigentlich keiner war).

Das Bild sei auch ein Affront gegen unsere Stiftung, schrieb er. Ist es das? Ich habe das Bild auch gesehen, als ich letzten Samstag die Zeitung aufschlug. Mein erster Gedanke war: Genau so habe ich selber noch vor vier Jahren ausgesehen, als ich 180 Kilo gewogen habe… – Dann wurde mir bewusst, dass Griechenland effektiv – neben Malta – das Land ist mit dem grössten Anteil an übergewichtigen und adipösen Menschen in Europa. Das Bild zeigte also eine Tatsache auf, sichtbar und nachvollziehbar.

Es machte sich nicht lustig über den Mann, es zeigte ihn nicht in einer unvorteilhaften Pose, es entwürdigte ihn nicht… ausser, man würde seinen Zustand als solchen als entwürdigend betrachten. Für mich erfüllt eine solche Illustration nicht den Tatbestand der Diffamierung und der Diskriminierung. Da gibt es weit schlimmere Bilder, die in den sozialen Medien zirkulieren, wo „Dicke“ verhöhnt und am Pranger der Lächerlichkeit preisgegeben werden…

Oder bin ich am Ende durch die Beschäftigung mit der Materie bereits zu „abgebrüht“, um noch sensibel reagieren zu können? Was meint ihr?




25/6  Ausgelach(s)t…

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:12

Man liest, schaut und ist erschüttert. Da empfiehlt uns die Ernährungsberatung, zum Abnehmen unseren Speiseplan regelmässig mit Fisch anzueichern, weil das ein guter Eiweiss-Lieferant mit obendrein den optimalen Omega-3-Fett-Säuren ist. Zwar wird eingeschränkt, man solle an die Überfischung der Meere denken und es deshalb auch nicht übertreiben.

Also denkt man, mit Fisch, der nicht wild gefangen wird, sondern aus einer Zucht stammt, sei man wohl auf der sicheren Seite. Da würde das gute Fleisch unter sauberen Bedingungen umweltfreundlich produziert, ohne dass die Meeresfauna Schaden nehmen muss durch exzessives Leerfischen der Weltmeere.

Und nun kommt ein ARTE-Dokumentarfilm daher und schildert uns – gemäss einem Bericht im Online-Portal INFOsperber – in grellsten Farben die Missstände in der norwegischen Lachszucht, welche offenbar die industrielle Schweinemast noch bei weitem übertreffen. Aber da die Fische unter Wasser gehalten werden, sind die negativen Auswirkungen weniger sicht- und erlebbar.

Und die schlimmen Zustände, die Umweltschäden, das mit Füssen getretene Tierwohl, das alles beschränkt sich nicht auf die Zuchten im Norden von Europa, sondern auch auf die Anlagen globaler Unternehmen in anderen Ländern.

Wenn man den Bericht liest und die Dokumentation sieht, vergeht einem subito jeder Appetit auf Lachs, mag er noch so appetitlich zubereitet und geräuchert sein… Man sagt sich spontan: NIE WIEDER!

Die Frage ist nur: wem hilft der Verzicht, ausser dem eigenen Gewissen? Müsste man nicht nach Möglichkeiten suchen, diese Missstände aktiv zu bekämpfen und am Ende gar zu beheben? Was natürlich eine Auswirkung auf den Preis des Fisch-Fleisches hätte. Bleibt wirklich nur de Flucht in den Vegetarismus? Das Problem lässt mich ratlos.




24/6  Dicke ins Ghetto?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:31

Das hat uns noch gefehlt. Da berät eine Expertengruppe den Bundesrat in Sachen Corona. Es geht um die Vorbereitung auf eine allfällige „zweite Welle“, von der man noch nicht weiss, ob sie wirklich kommt und falls doch, wie hart sie uns treffen wird.

Es gehe darum, die Risikogruppen „besonders zu schützen“ und ihnen dennoch zu ermöglichen, „am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“. In den offiziellen Verlautbarungen ist zwar nur von den „Senioren“ die Rede (das sind die Menschen, die älter als 65 sind, frühvergreiste ZeitgenossInnen sind offenbar nicht gemeint). Aber die Definition der Risikogruppen umfasst ja noch weitere Schichten: Menschen mit einschlägigen Vorerkrankungen und Adipositas-Betroffene mit einem BMI über 40.

Da ist die Rede von speziellen „Alten-Abteilen“ in der Eisenbahn und von besonderen Zeitfenstern für den Greisen-Einkauf in den Warenhäusern, in die sich dann auch die Übergewichtigen teilen müssten, wenn sie „geschützt“ sein wollen. Die Alten-Organisation Pro Senectute ist nicht begeistert von den Vorschlägen. Sie moniert die Gefahr der Abschottung und Diskriminierung. Das ist nachvollziehbar. Und ein sinngemässes Risiko besteht auch für Menschen mit erhöhtem Körpergewicht: sollen sie sich nur noch zu bestimmten Zeiten auf die Strassen und in die Läden wagen dürfen? Genügt die Stigmatisierung im Alltag nicht, die sie schon mit sich herumschleppen müssen?

Soll man uns mit kritischen Blicken strafen, wenn wir es wagen sollten, zur Unzeit unser Brot und unser Joghurt zu kaufen? Dürfen wir nicht mehr auf den Markt (wo uns die geltenden Sicherheitsregeln ohnehin schon die Orientierung erschweren)?

Wer zur Risikogruppe gehört tut gut daran, die nun gelockerten Empfehlungen so konsequent wie nur möglich einzuhalten, zum eigenen Schutz und zu dem der anderen, da man ja nie wissen kann, ob es einen bereits „erwischt“ hat oder nicht. (Über die Covid-App sprechen wir dann, wenn sie effektiv erhältlich ist, ich müsste mir zuerst noch ein neues Handy beschaffen, da mein Akku dem Dauerbetrieb von Bluetooth nicht mehr gewachsen ist.)

In diesem Sinne: bleiben wir auf der Hut, kein Leichtsinn und keine Experimente!

 




17/6  Verhalten verändern

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:44

Unter Zwang geht es. Das mit der Veränderung des Lebensstils. Nur nicht zwingend in die richtige Richtung.

Eine Studie in USA hat sich mit der Frage befasst, ob und wie weit die besonderen Bedingungen unter dem Corona-Regime (Home-Office und Hausarrest) das Essverhalten der Bevölkerung beeinflusst haben. Und es ist davon auszugehen, dass die erhobenen Fakten mehr oder weniger auch auf unsere eigene Situation zutreffen könnten, da sich unser Way of Life nicht grundlegend von demjenigen Amerikas  unterscheiden dürfte, wenn es um Food-Trends geht.

Interessant ist, dass 85% der Befragten angaben, dass eine Änderung stattgefunden hat. Am grössten ist die Anzahl derer, die sich in der Lockdown-Zeit nicht mehr ausser Haus verpflegt haben, sondern nun selber am Kochherd standen: das sind 60%. Die andern 40% haben sich wohl Pizza und anderes liefern lassen.

Über 30% ist der Anteil derer, die angaben, infolge des Corona-Arrests mehr gesnackt zu haben, 25% haben häufiger ans Essen gedacht als normalerweise und 20% gaben an, allgemein „mehr“ gegessen zu haben als früher. Eine ganze Reihe anderer Verhaltensweisen wurden ebenfalls erhoben, die Änderungen sind allerdings nicht so markant.

Einiges von dem, was hier festgestellt wurde, kann ich aus leidvoller, eigener Erfahrung bestätigen. Allerdings machen es uns die neuen Lockerungen auch nicht gerade einfacher, einen klaren Ernährungsplan einzuhalten, denn jetzt geht es ja unter anderem darum, der notleidenden Gastronomie unter die desinfizierten Arme zu greifen und so oft wie möglich auswärts zu verpflegen…




11/6  Politisch korrekt?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:26

Jetzt macht der Mohrenkopf wieder Schlagzeilen. Unfreiwillig zwar, aber heftig. Im Zeichen der weltweiten – berechtigten – Empörung über die mörderische Diskriminierung schwarzer US-Bürger durch Polizeigewalt wird jetzt alles an den Pranger gestellt, was auch nur von ferne an die mit der kolonialen Vergangenheit verknüpften Grausamkeiten und Unterdrückungen erinnert.

Hoch gehen die Wogen in den sozialen Medien, ein Schlagabtausch tobt zwischen den Dobler-Freunden (die sich für den Aargauer Familienbetrieb mit seiner traditionellen Schoko-Schaum-Süssspeise in die Bresche werfen und der Migros an den Karren fahren, die das unkorrekt benamste Produkt aus den Regalen genommen hat, und den Verteidigern des Entscheides, die den Dubler-Fans verkappten strukturellen, allenfalls unbewussten Rassismus vorwerfen.

Irgendwie finde ich mich zwischen den Fronten: auf der einen Seite respektiere ich das Engagement derer, die sich konsequent gegen jede Form von Rassismus stark machen und sich damit für eine gerechtere Welt einsetzen – aber gleichzeitig finde ich die Migros-Reaktion übertrieben und unnötig, da ich nicht sicher bin, ob alle, die jetzt dem orangen Riesen applaudieren, auch bereit wären, z. B. einem Flüchtling aus Afrika ein Zimmer zu überlassen…

Nachvollziehbar ist das Argument, dass der inkriminierte Begriff allenfalls für jemanden mit dunkler Hautfarbe verletzend sein könnte, der von Kindheit an hierzulande darunter leiden musste, dass er mit diesem Namen bedacht und gehänselt wurde… Wobei es auch Stimmen von Betroffenen gibt, die das anders sehen.

Aber wenn wir diese Betroffenheit mal akzeptieren, was ist dann zu halten, von einer Sitzgelegenheit, die den offiziellen Namen „Fettsack“ trägt??? Ist das etwa keine Beleidigung für einen Adipositas-Betroffenen, der sein Leben lang immer wieder mit diesem Begriff verunglimpft wurde? – Klar, ein Vergleich der nach wie vor alltäglichen Adipositas-Diskriminierung mit den kolonialen Greueln des Sklavenhandels und der aktuellen Rassen-Diskriminierung – in USA und auch hierzulande – ist völlig unangebracht und soll hier nicht gezogen werden.

Was bleibt, ist die Hoffnung, dass dieser ans Absurde grenzende Disput unter dem Strich etwas dazu beiträgt, unser Bewusstsein bezüglich der Rassismus-Problematik zu schärfen.




4/6  Lockerungen, und dann?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:11

Es ist eine Zeit der Ungewissheit. Daniel Koch ist im Ruhestand, zwar reichlich aktiv noch immer auf allerlei Bühnen, aber irgendwie „fehlt“ er uns als offizieller Kompass, an dem wir unser tägliches Verhalten ausrichten können.

Schrittweise werden die rigideren Empfehlungen, an die wir uns brav gehalten haben, wieder gelockert. Enkel herzen, Verwandte besuchen, sich in der Öffentlichkeit versammeln, sich von der Coiffeuse eine Friction verpassen lassen… Und Einiges hat sich inzwischen eingespielt, ist zu quasi „normalem“ Verhalten geworden, wie etwa die Rituale im Supermarkt, vom gesitteten Anstehen über die Hände-Desinfektion bis zum richtigen Abstandhalten aufgrund der am Boden aufgeklebten Markierungen.

Wie viel davon später in unserem Alltag beibehalten werden muss, das ist noch nicht abzusehen. Realistische Prognosen gibt es etwa bereits für das Gastgewerbe, wo man Abschied nimmt vom Selbstbedienungs-Büffet und vom Ménage auf den Tischen… aber in meiner Akupunktur-Praxis wurde das vor drei Wochen verhängte Masken-Obligatorium schon wieder aufgehoben, im Umgang mit der sozialen Distanz werden wir innerlich flexibler und denken, „nicht ganz zwei Meter“ wären für das böse Virus wohl immer noch eine klare Schranke.

Solange die Infektionsrate auf dem aktuell tiefen Niveau bleibt, fassen wir zunehmend Mut, an gewisse Limits zu gehen, auszuloten, was drin liegt und was nicht. Das Problem ist nur, dass bei einer Grenzverletzung nicht sofort ein hartes Schicksal zuschlägt und uns bestraft, etwa mit einem bösen Ekzem oder einer Blauverfärbung der Haut… Diese Situation erinnert mich an die Tage während der Tschernobyl-Katastrophe. Ich habe damals eine kleine Informations-Einheit von Radio-JournalistInnen geleitet, die aus dem strahlensicheren Bunker der Nationalen Alarmzentrale heraus für die rasche und sachgerechte Information  der Bevölkerung zuständig war. Auf dem Weg vom Parkplatz zum Eingang ins Gebäude war man bei schönstem Wetter den Gedanken ausgesetzt, wo und wie sich allenfalls die unsichtbare und unfühlbare atomare Strahlung auf uns auswirken könnte…

So bleibt uns im Moment nur, nicht allzu sorglos zu werden, in der Hoffnung, dass sich die Seuchenlage auf einem Risiko-Level stabilisiert, das nicht höher ist als die tägliche Gefährdung, der wir uns aussetzen, sobald wir am Morgen das Bett verlassen.