5/11  Antonius im ICN

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 20:02

Nein, einen so schönen Bart wie der heilige Antonius auf dem Isenheimer Altar habe ich nicht, aber so vorgekommen bin ich mir trotzdem fast.

Zwei Tage Konferenz in Genf und am späteren Nachmittag dann etwas erschöpft in den Zug zurück nach Zürich gestiegen, mit der vorher von der Gattin übermittelten Botschaft im Hinterkopf, dass daheim das Abendessen nach eBalance auf mich wartet. Vorfreude und der Wunsch, das aufkeimende Hungergefühl im Zaum zu halten.

Aber als hätten es die Dämonen der Verfressenheit, des Gelüstens, der Schlemmerei und der Völlerei gemeinsam auf mich abgesehen, zirkuliert alle 30 Minuten das kleine Wägelchen der elvetino-Railbar mit klirrend-klappernden Rädern vorbei und der fröhliche Steward ruft in akzentmässig undefinierbarem Singsang: „Kaffee, Bier, Biberli, Sandwich…“ Und alles Wegblicken nützt nichts, ich weiss in meinem Inneren, dass es auch um diese Zeit noch Pommes Chips hat, Erdnüssli, Linzertörtli, Smarties, Schoggigipfeli, Baguette, Käsebrot und Salamizöpfli, dazu Cappuccino und Ovodrink, vom Bier und den Weinen („Les Murailles“!) ganz zu schweigen. Alle halbe Stunden! Fünfmal bis Zürich. Und ich bin standhaft geblieben.

Vielleicht auch deshalb, weil mich am Abend zuvor die Versuchung in Gestalt eines absolut einzigartigen, zu einer Genfer Table-d’hôte-Privatgaststätte umgebauten Winzergutes völlig kalt und gnadenlos erwischt hatte, mit einer Weindegustation, hausgemachten Apérohäppchen und einem schmackhaften ländlichen Abendschmaus aus Lauch- und Kartoffelgratin und einem schmelzenden Rindsbraten… – Wer wollte da heilig sein?