20/12  Genug ist nicht genug

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:36

Meine Tante Rosa pflegte jeweils den Pfarrer von Carona zu zitieren, wenn sie bei Tisch nochmals so richtig zulangte und sich ein zweites oder drittes Mal von ihrer Leibspeise auf den Teller schöpfte: „Wenn Sünde, dann Sünde!“

Oder anders gesagt: Wenn du schon etwas tust, was du nicht solltest, dann mach es wenigstens von Herzen und richtig. – Diese Empfehlung ist mir vor allem im Zusammenhang mit Essen in Erinnerung. Allerdings waren wir damals im Zustand relativer kindlicher Unschuld und manche der landläufigen anderen Sünden waren uns noch gar nicht bekannt, oder höchstens aus Büchern.

Heute musste ich recht intensiv an die Tante denken, denn am Mittag gab es auswärts ein mehrgängiges Menü, dessen geschmackliche Qualität sich von Gang zu Gang steigerte, dazu einen Rotwein, der sich an die Zunge und in den Gaumen schmiegte, und eine aufgestellte Tafelrunde, die dazu beitrug, dass der an sich prosaische Vorgang der Nahrungsaufnahme sich zu einer Mischung aus Bankett und Festgelage entwickelte, die mehr als fünf Stunden dauerte. Wenn Sünde, dann richtig.

Und damit nicht genug: Als es im Zustand reichlicher Überfüllung zwei Stunden später ins warme Thermalbad-Wasser zum Aquafit ging, und die Lektion mit einigem Anstand abgestrampelt war, stand anschliessend ein verspäteter Klausimbiss für alle bereit, mit Nüssli, Mandarinen, selbstgebackenen Waffeln, kleinen Schnittchen aus dem Partybrot, Panettone, Datteln… und es war erstaunlich, wie doch die Aqua-Aktivität wieder Hunger gemacht hatte!

In solchen Momenten ist jeder Widerstand zwecklos. Und weil – was ein Teil des Problems ist – das Sättigungsgefühl sich entweder gar nicht oder nur extrem verschämt bemerkbar macht, weiss man auch gar nicht, wann es genug wäre. – Indes: Genug ist nicht genug… genug ist zuviel! Aber es war gut.