11/2  Verhältnisprävention

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:29

Gerne nehme ich den Ball nochmals auf, den mir Franziska Zuber in ihrem Feedback auf meine gestrige Betrachtung zugespielt hat. Gut für sie, dass sie sich als erfolgreich selbtverantwortliches Individuum sehen kann, das willens und auch in der Lage ist, ganz alleine zu entscheiden, ob es dick werden will oder nicht…

Schön wärs, wenn das alle von sich sagen könnten. Dann hätten wir kein Problem. Selig sind die Friedfertigen, die guten Glaubens sagen dürfen: „Wozu braucht es ein Strafgesetz und Gefängnisse? Ich habe noch keinen umgebracht und werde dies auch ganz gewiss nie tun…“ – Es gehört zum Wesen der menschlichen Gemeinschaften, dass sie ihr Zusammenleben durch gemeinsam abgesprochene Regelungen ordnen, die zum Nutzen und zur Hilfe aller sind. Und es gehört zum Wesen der Freiheit, dass sie ohne Verantwortung sich und den anderen gegenüber nicht lebbar ist.

Heute braucht in unseren Breitengraden ein erwachsener Mensch nicht mehr als zwei bis drei tausend Kalorien pro Tag zum Leben. Aber am Markt sind Nahrungsmittel für über 4’000 Kalorien pro Person und Tag. Und die wollen verkauft und verzehrt sein. Es ist ein Wettbewerb um Marktanteile. Was besser schmeckt und leichter zu haben ist, bringt mehr Profit für Investoren und Shareholder…

Klar könnte man in diesem Wettrüsten um die Energiebilanz die Schraube nach oben drehen: Volle Pulle gefuttert und der Nahrungsmittelindustrie zum Boom verholfen, und gleichzeitig wie verrückt an den raffiniertesten, elektronisch gesteuerten, neunmlaklugen Fitnessgeräten die ganze überschüssige Energie wieder abgearbeitet und in den neuen Wellnessfabriken schlankgeschrumpft oder gar in den wie Pilze aus dem Boden schiessenden Lipokliniken das verflüssigte Fett wieder aus den Zellwaben herausgeschlürft…. Ok, man könnte ja einfach nur zwei Stunden pro Tag marschieren, Schwimmen, Liegestütze machen. Aber eben: Man muss.

Vorbeugen heisst, etwas zu unternehmen, bevor es zu spät ist. Prävention ist das Schlüsselwort, dem alle zustimmen. Aber man spricht heute von zwei verschiedenen Arten der Prävention. Von Verhaltensprävention und von Verhältnisprävention. Im letzteren Fall geht es darum, die Umwelt und ihre Bedingungen so zu beeinflussen und – wo nötig – zu verändern, dass der Einzelne überhaupt in die Lage versetzt wird, sein persönliches, präventives Verhalten in die Tat umzusetzen. Und da öffnet sich ein weites Feld, in dem „der Staat“ und mit ihm alle, die ihn vertreten, zum Handeln aufgerufen ist. Auch wenn das undankbar sein mag.