15/3  Ruhn, abtreten!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:44

Wie soll man das nennen? Eine ganz besondere Art von herber Wehmut, die nach Stiefelwachs und dem trocken-staubigen Hauch leerer Kasernengänge riecht, vermischt mit der stickigen Luft in Bunkern, die länger verschlossen waren…

Morgen geht es darum, endlich Platz zu schaffen in den Schränken und die Militärausrüstung, die mich so viele Jahre, noch über die reglementarische Dienstzeit hinaus, begleitet hat, wieder abzugeben im Zeughaus, wo man sie einst gefasst hat.

Eine Übergewichts-Geschichte eigener Prägung. Als ich in die Rekrutenschule kam, vor 45 Jahren, da wog ich gerade mal 67 Kilo, ein Strich in der Landschaft, in knappes grünes Tuch gekleidet, die Segelohren waren das markanteste Merkmal, wenn sie unter dem Mützenrand hervorstanden… – Dann kamen die Phasen der Gewichtszunahme nach dreissig: In der Offiziersuniform spiegelten sich die verschiedenen Etappen in den seitlich eingesetzten Bahnen, oft in unterschiedlicher Färbung, weniger abgeschossen als die restliche Jacke. Und der gute alte „Kaputt“, den es in der RS noch zur dünnen, steinharten Wurst zu rollen galt, mutierte durch das Versetzen der Knöpfe langsam von Zweireiher zum Einreiher…

Ein unrühmliches Intermezzo spielte sich ab, als ich nach einer intensiven Diät mehr als 20 Kilo abgenommen hatte, die immer wieder erweiterte Ausgangs-Uniform mir wie ein Zelt um den Körper wallte und die für unseren Einsatz zuständige Bundesrätin Elisabeth Kopp Heerschau halten wollte, was bedeutete, dass ich mir für den Gala-Empfang eine neue, passende Kleidung schneidern lassen musste. Ich trug sie gerade an diesem einen Abend, wenn auch in geschniegelter Schönheit. Dann nahm ich wieder zu, von Jo-Jo-Effekt wusste man damals noch nicht viel, und bald passte der alte Waffenrock wie vorher.

Ein besonderes Indiz war der Ledergurt: wenn er wieder einmal eingetauscht werden musste, weil man ja keine zusätzliche Löcher in das Armee-eigene Material bohren durfte, dauerte es jedes Mal länger, bis die freundlich-bedächtigen Zeughäusler irgendwo weit hinten noch ein passendes Stück gefunden hatten. – Bös wurde es bei der letzten Umrüstung, als Anfang der 90-er Jahre auch unsere Truppe noch den Tarnanzug erhielt, um definitiv von ihrem Burbaki-Look wegzukommen, und ich mit meinen mittlerweile 165 Kilo in keines der vorgefertigten Ordonnanz-Modelle mehr passen wollte, so dass man mir von der Sommer- und der Winter-Variante zwei persönliche Exemplare nach Mass anfertigen musste, die mir zuhause einen ganzen Schrank füllten, da keine Chance bestand, dass ich bei einem Einsatz irgendwo ein ausreichend geräumiges Wehrkleid fassen könnte… – Man ist – nach meiner Erfahrung – mit Übergewichtigen in der Armee immer respektvoll umgegangen. Und wenn es früher zum Witz-Bild der Gradkenntnisse gehört hatte, dass man den Herrn Oberst „am dicken Bauch“ erkennt, so machte ich in meiner späteren Dienstzeit diesem Cliché alle Ehre.

Jetzt gehen die ausgedienten Sachen zurück. Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass sich in der neuen verschlankten „Armee XXI“ für diese Kleidergrösse noch Verwendung finden lässt.