18/3  Rückfallquote

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:32

Ich bin Dr. Philippe Beissner dankbar, dass er bei meinem vorletzten Eintrag zur „Rosskur“ einen Kommentar aus medizinischer Sicht angemerkt hat. Sonst liest sich das so leichthin… und es besteht auch noch die Gefahr, dass mein Bericht für ein Angebot von eBalance gehalten wird. Und das ist es ja wirklich nicht.

Ohne regelmässige Kontrolle durch den Arzt und ohne die Ernährungsberaterin, die mit mir jede einzelne Position durchspricht und meine Erfahrungen mit der einen oder anderen Lebensmittel-Kombination evaluiert, würde ich das auch nicht machen. Und ich bin sehr bewusst darauf bedacht, auf die feinen Anzeichen zu achten, falls sich unangenehme Nebenwirkungen einstellen sollten.

Dabei ist es verblüffend, dass man auch als „alter Diät-Hase“, der meint, sämtliche Tricks und Trend-Vorschläge schon einmal ausprobiert zu haben, immer wieder auf neue Erkenntnisse und Zusammenhänge stösst. Deshalb ist es wichtig, dass man Vertrauen zum Arzt und zur Ernährungsberatung haben kann.

Wir hören am SAPS-Telefon immer wieder kritische Töne zur Arbeit von ErnährungsberaterInnen. Der Beruf hat im Moment Konjunktur. Es gibt zahlreiche Schnellbleich-Angebote in diesem Sektor, die dann ev. bei Programmen zum Einsatz kommen, deren Wirksamkeit und Seriosität umstritten sein können. – Daneben gibt es einen dreijährigen Vollzeit-Lehrgang, der zu einem Diplom-Abschluss (demnächst an der Fachhochschule) führt. Nur diese „dipl.“ ErnachrungsberaterInnen sind legitimiert, „kranke“ Menschen zu beraten und nur deren Leistung wird von der Krankenkasse übernommen. Ein entsprechendes
Verzeichnis findet man auf der Website des Berufsverbandes.

Aber unsere Erfahrung zeigt, dass das vermittelte und „diplomierte“ Wissen – es mag noch so komplett und umfassend sein – von den betroffenen Patienten, die sich ein halbes Leben lang mit ihrem massiven Übergewicht abgequält haben, gar nicht richtig angenommen werden kann, weil eine andere Dimension fehlt: das Verständnis für die komplexeren Probleme, die ganzheitliche Schau auf den „dicken Menschen“ als Resultat einer hoch komplizierten Kombination von ungünstigen Voraussetzungen.

Oft hören wir die gleich lautende Klage: Der Arzt hat mich zur Beratung geschickt, aber die hat einfach ihr Sprüchlein nach dem Lehrbuch aufgesagt, und gebracht hat mir das für meine spezielle Situation gar nichts. – Nun darf man nicht verallgemeinern, und es ist zweifellos so, dass das „Diplom“ ein guter Leistungsausweis ist, was die Voraussetzungen bezüglich Fachkenntnisse und Wissenschaftlichkeit betrifft und dass es auch begleitende Praktika dokumentiert. – Aber es ersetzt nicht den gesunden Menschenverstand, die Anteilnahme und die Bereitschaft, auf jeden Patienten individuell einzugehen, ihn zu ermutigen, neue Wege zu beschreiten und gemeinsam herauszufinden, wie sein Problem eventuell in den Griff zu bekommen wäre. – Dass die „Rückfallquote“ bei Adipositas-Diäten (Dr. Beissner hat seinen „Fall“ ja geschildert) im Schnitt bei 85 Prozent liegt, bedarf keines weiteren Kommentars.