15/6  Feedback aus USA

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:45

Mein Beitrag vom letzten Sonntag über die „New York“-Diät hat in den Staaten eine aufmerksame Leserin gefunden. Tina K. hat sich gemeldet und ihre Eindrücke vom amerikanischen Ess-Verhalten geschildert, so plastisch und treffend, dass ich es mir heute einfach machen kann, indem ich sie – in Auszügen – direkt zu Wort kommen lasse:

Ich habe soeben Ihren Bericht über die NY Diät gelesen. Ich lebe zurzeit in den USA (seit 1,5 Jahren) und erlebe „dieting“, Riesenportionen, extremes Übergewicht und Gesundheitswahn aus nächster Nähe mit. Was mich immer wieder erstaunt, sind die Gegensatze: schaut man beispielsweise Werbung im Fernsehen, sind die meisten Produkte entweder mit einer Fastfood-Kette oder einer Diätform (auch Pillen aller Arten) verbunden. Nicht selten kommt Kentucky Fried Chicken o. ä. direkt vor oder nach einer Diätwerbung.

Dass Budget und gesundes Essen direkt verknüpft sind, wird einem sehr schnell klar: Für einen Salat aus Whole Foods (verkauft biologische Produkte) bezahlt man gerne das 10-fache (kein Witz) wie für einen Burger in der Fastfood-Kette. Zudem nehmen alle Gesundheitsbewussten Vitamine, die auch ziemlich teuer sind, während Fastfood kaum Nährstoffe enthält. Das führt genau zu diesen Extremen: Superschlanke Gesunde und übergewichtige Kranke (sorry, dass ich Kranke schreibe, aber in einigen Fällen kann man nichts anderes sagen). In Einkaufszentren, an Flughäfen und bei Sehenswürdigkeiten sind keine gesunden Snacks erhältlich, auch in den meisten billigeren Läden (z.B. Seven Eleven) nicht (ausser mit Wachs überzogene Äpfel (zu Konservierungszwecken), die schon einige Tage oder Wochen alt sind). Extreme Diäten/Ernährungsformen wie Atkins sind weit verbreitet. Zudem wird dem Essen als sozialer Akt kaum Wichtigkeit eingeräumt: gegessen wird im (Vorbei-)Gehen, Stehen, im Auto (Drive Thru), vor dem Fernseher oder Computer – überall, nur nicht am Esstisch. Die meisten Leute, die ich kenne, besitzen gar keinen Tisch.

Ich denke, das Hauptproblem liegt in der Portionengrösse. Z.B. die Kaffeegrösse im Starbucks: die kleinste Grösse, die in der Schweiz erhältlich ist, gibt es hier gar nicht (dafür eine grössere…). Oder als ich einmal extrem Lust of Pommes Frites hatte und mir bei einer Fastfoodkette eine kleine Portion kaufen wollte, ging das nicht, weil die Kasse „small french fries“ nicht programmiert hatte. Ich bin mit einem zusätzlichen Burger und einem Drink aus dem Restaurant gekommen – beides wollte ich ursprünglich nicht, aber es war ja praktisch gratis. Und natürlich habe ich beides gegessen. Die Portionsgrösse war für mich der Hauptgrund, mich bei eBalance anzumelden – damit ich nicht „normales Essen“ aus den Augen verliere. Ich bin nicht übergewichtig, habe aber in den ersten Monaten 5kg zugenommen (sind glücklicherweise schon fast wieder weg), was mich alarmiert hat.

Soweit Tina K, in Auszügen, aus einem beeindruckenden Bericht, den ich heute per E-Mail erhalten habe. – „Amerika – du hast es besser!“ – gilt dieser Ausruf noch, den man hierzulande einst in einer Mischung aus Neid und Sehnsucht formuliert hat? – Jedenfalls lese ich heute in der gedruckten NZZ von der Einrichtung der „ersten High School für Fettsüchtige“ in Kalifornien, wo junge Menschen mit einem rigorosen Ernährungs- und Bewegungsprogramm auf den schlanken Weg gebracht werden. Ein viel versprechendes Experiment, das es verdient, einmal noch näher unter die Lupe genommen zu werden.