19/7  Über Internet

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:25

Zwei – virtuelle – Begegnungen haben mir heute die Omnipräsenz des weltweiten Netzes anschaulich vor Augen bzw. Ohren geführt.

Da war am Nachmittag ein Telefonanruf auf meinem Handy. Aus London. Weiss der Kuckuck, wie der Mensch an meine Nummer gekommen war. Zuerst wollte er von mit die Adresse von eBalance-Projektleiter Christian Dettwiler, dann wollte er wissen, was denn meine Funktion bei eBalance sei. Ich erklärte ihm in meinem besten Schulenglisch, dass ich der Präsident der „Swiss Obesity Foundation“ sei und dass ich lediglich ein Gastrecht genösse als täglicher Kolumnist, sonst aber mit dem Programm direkt nichts zu tun hätte.

Nun erklärte er mir in einem beredten Schwall, dass er eine Firma vertrete, die anlässlich der Züri Metzgete die Live-Übertragung dieses Velomarathons auf eine riesige digitale Leinwand organisiere. Dabei würden während der ganzen Dauer der Übertragung periodisch Werbespots eingespielt, und da einer der Kunden sich kurzfristig zurückgezogen habe, sei er nun in der Lage, mir bzw. unserer Stiftung ein Werbe-Package zum sensationell günstigen Vorzugspreis von nur 19’000 Euro anzubieten, und ich solle mich rasch entscheiden, das Schnäppchen (fragen sie mich nicht, was das auf Englisch geheissen hat) zu machen! – Als ich ihm allerdings sagte, dass wir eine mausarme, gemeinnützige Stiftung seien und der genannte Betrag fast unser halbes Jahresbudget ausmache, erlosch sein Interesse an mir ebenso kurzentschlossen, wie es erwacht war.

Die zweite Begegnung fand dann am Abend statt, in meinem SAPS-Email-Account, den ich von zuhause aus – vor dem Bloggen – noch routinemässig checkte: eine Botschaft aus der Südtürkei. Ein früherer Kamerad aus dem Militärdienst. Anfang der Sechzigerjahre war er als Unteroffizier in meine Kompanie eingeteilt worden, die Militärbürokratie hatte aus irgendwelchen Gründen seine Weiterausbildung zum Offizier blockiert und ich hatte mich nach einem gemeinsamen WK vehement dafür eingesetzt, dass dieser Korporal doch noch die OS machen konnte, die er dann mit Bravour absolvierte und zu einem mener besten Zugführer wurde. – Jetzt ist er auch schon im Ruhestand, wir hatten uns über 25 Jahre aus den Augen verloren, lebt in der Türkei und muss – anders kann ich es mir nicht vorstellen – über nzz-online auf meinen eBalance-Blog gestossen sein.

So klein ist die Welt geworden, dank moderner Kommunikation. Keiner kann sich mehr verstecken, jeder sieht jeden und jeder muss jederzeit Rechenschaft ablegen. Wenn auch nur über Internet.