1/8  Feuerwerk

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:41

Zum 715. Male – so haben wir ausgerechnet – hat sich die hypothetische Geburtsstunde des Landes gejährt. Wir waren eingeladen auf dem benachbarten Bauernhof und da es im Kanton Thurgau weder ein Grill- noch ein Feuerwerk-Verbot gab, waren der Geselligkeit keine künstlichen Schranken gesetzt.

Die Kinder waren vor Ungeduld kaum zu halten, bis es dunkel genug war, dass sie ihre Raketen, Vulkane, Bienenschwärme, Knaller, Albatrosse und was es sonst noch gab, in Brand stecken konnten. Am meisten ereiferten sie sich über Rennwagen und Panzer… Dinge, die ich so bisher noch nie gesehen hatte: Karton-Nachbildungen mit Rädern unten dran, die man auf der Strasse anzünden musste, dann fuhren sie – von kleinen Düsen getrieben – los, einige Meter weit; die Panzer blieben stehen und eröffneten nach vorne ein Kartuschen-Feuer mit Geknatter und Gestank, die Rennwagen änderten plötzlich die Richtung, schlugen Haken, fuhren rückwärts… Und niemand mochte an die bittere Kriegsrealität denken, die wenige Flugstunden entfernt mit viel makabrerem Feuerwerk stattfand, wo es kein Spiel war sondern blutiger Ernst.

Rundum war der Horizont erleuchtet, stiegen Raketen in den weitgehend sternenklaren Himmel empor, wo auch Flugzeuge mit rot-grünem Blinken ihre Bahnen zogen.. besonders patriotisch war uns nicht zu Mute. Wir erinnerten uns an unsere eigenen Kindheitserlebnisse am 1. August. Bengalische Zündhölzer hatten wir, die man abrieb, um sie dann mit der Hand zu schwenken, im Kreis, in einer Achterform oder auch im Versuch, die Buchstaben eines Namens in die Nacht zu schreiben, der uns Herzklopfen bereitete… Es war eine andere Zeit. Und die Mutigen zündeten einen Schweizerkracher.

Vom rhetorischen Feuerwerk der verschiedenen Festredner habe ich nicht viel mitbekommen. In der Tagesschau kurz die Frau Bundesrat Blocher gesehen, wie sie inbrünstig die Landeshymne schmetterte an der Seite des von ihr gemanagten Amtsinhabers. Da habe ich weitergezappt. – Feiertagspatriotismus ist gut und recht, ich habe am Morgen auch die Fahnen vor und hinter dem Hause raus gehängt, man ist das der Gemeinschaft quasi schuldig. Aber eigentlich müsste das Engagement für das eigene Land ja auch die übrigen 364 Tage anhalten, wenn das Feuerwerk längst wieder erloschen ist und der Pulverdampf sich verzogen hat.