18/11  Gesunder Menschenverstand

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:58

Zwischen dem Ess-Tempo und der Ess-Menge besteht ein Zusammenhang. Das hat uns eigentlich unsere Mutter schon mitzuteilen versucht, als sie jeweils sagte: Es nimmt der’s niemer ewägg!

Während meines Studiums habe ich dann allerdings an einer englischen Gesamtschule (Comprehensive School) die gegenteilige Erfahrung gemacht: Schüler und Lehrer sassen an Zehnertischen, das Essen wurde aufgetragen, die matschigen Kartoffeln, die unvermeidliche Pork-and-Kidney-Pie mit der undefinierbaren Gravey… und man wusste genau, wer seinen Teller nicht ratzekahl leergegessen hatte, bis der Nachschlag gebracht wurde, der hatte keine Chance, noch eine zweite Portion zu bekommen. Also löffelten die Kids und das Lehrpersonal gemeinsam um die Wette, kaum dass der Headmaster das letzte Wort seines Tischgebets gesprochen hatte.

Dieser Selbsterhaltungsschaufelreflex kam mir in den Sinn, als ich den Artikel in USA TODAY las. Eine Studie an der Universität von Rhode Island hatte mit einem Experiment herausgefunden, dass tatsächlich mehr Kalolrien zu sich nimmt, wer schneller isst.

30 normalgewichtige Studentinnen wurden im Esslabor vor eine grosse Platte mit Teigwaren gesetzt und aufgefordert, davon – so rasch wie möglich – so viel zu essen, bis sie ein Sättigungsgefühl verspürten. In einem zweiten Test wurden sie angehalten, sich beim Essen alle Zeit zu nehmen, dazwischen eine Pause einzulegen, miteinander zu reden und gründlich zu kauen…

Das verzehrte Essen wurde gewogen und in Kalorien umgerechnet. Beim schnellen Verzehr schlangen die Probandinnen in ca. 9 Minuten Teigwaren für 646 Kalorien hinunter; die Langsamessenden nahmen in 29 Minuten im Schnitt 579 Kalorien zu sich. – Differenz: 67 Kalorien. Das mag nicht als viel erscheinen, aber wenn sich dieser Vorgang täglich bis zu dreimal wiederholt, kommt ganz schön was zusammen.

Zudem fühlten sich die Schnellesserinnen eine Stunde nach der Mahlzeit weniger satt als ihre Kolleginnen mit dem langsamen Tempo. Und wer langsam ass, trank im Schnitt auch mehr als die Schnellen, was zur besseren Sättigung beitrug. – Interessant – das ist meine persönliche Schlussfolgerung – ist doch immer wieder, dass es in unserer evidenzbasierten Welt offenbar für alles und jedes eine Studie braucht, auch wenn der gesunde Menschenverstand auf dem direkten Weg zum gleichen Resultat gekommen wäre.