19/11  Vom rechten Aberglauben

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:27

Übers Wochenede ist mir die Mutter nicht mehr aus dem Kopf gegangen, die am Freitag auf das SAPS-Beratungstelefon angerufen hat. Es ging um ihre Tochter. Diese sei schwer übergewichtig und sollte in ein begleitetes Programm aufgenommen werden. Mit dem Stoffwechsel stimme etwas nicht.

Ob das ein Arzt festgetellt habe, wollte meine Mitarbeiterin wissen. Nein, das könnten die ohnehin nicht feststellen, kam die Antwort. Man habe einen Bluttest machen lassen und dabei festgestellt, dass das Kind keine Kohlenhydrate vertrage. Deshalb habe man mehrere Wochen ganz darauf verzichtet. Dabei habe das Kind auch prächtig abgenommen. Aber dann seien alle Kilos wieder gekommen und jetzt sei das Mädchen schwerer als vorher. Deshalb müsse es nun in ein Gruppenprogramm, wo es die kohlenhydratfreie Diät weiterführen könne.

Wir haben ihr abgeraten, denn kein verantwortungsvoller Therapeut würde ein übergewichtiges Kind einer solch einseitigen Ernährung aussetzen. Vielmehr sei es wichtig, auch zu Hause auf eine fett- und kalorienbewusste, ausgewogene Kost zu achten. – Das komme nicht in Frage, meinte die Mutter, dieses Kind sei das einzige, das ein Stoffwechselproblem habe, die andern seien normalgewichtig und könnten essen, was sie wollten, daher falle es ihr nicht ein, für das eine Kind extra zu Kochen…

Manchmal könnte man verzweifeln. Es kommt einem vor wie zu Gotthelfs Zeiten, als von Irr- und Aberglauben verblendete Mütter ihre Kinder zu Tode quacksalbern liessen… am Schluss nimmt man wohl noch Zuflucht bei Fernheilern und Gesundbetern… und wenn alles nichts genützt hat, soll dann die Schulmedizin Schuld sein, dass das Kind nicht mehr abnimmt, nachdem man es mit falschen Kuren regelrecht verdorben hat. – Es ist gut, eine nationale Politik zu haben und ein Massnahmenpaket zu schnüren… aber dringend notwendig werden noch lange eine ganz elementare Aufklärung und Information bleiben.