21/1  Labelkrieg

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:36

Nach McDonald’s hat nun coop den nächsten Schritt gemacht mit einer firmeneigenen Nährwert-Deklaration. Zum Glück gibt es Zeitungsinserate. Sonst hätte ich das gar nicht bemerkt. Heute war in den Blättern vom Sonntag auf einer Doppelseite ein fetter Schoko-Kuchen abgebildet, wie Oma ihn zu backen pflegte. Ich muss allein beim Betrachten des Bildes rund anderthalb Kilo zugenommen haben.

Auf der Seite hat es eine Etikette, die mir mitteilt, wieviel an Kalorien, Zucker und Fett eine Scheibe des Cakes enthält, und welchem Anteil eines durchschnittlichen Tagesbedarfs (man geht von 2000 kcal aus)dies entspricht. Das Konzept nennt sich Foodprofil und ist zunächst auf Eigenmarken zu finden. Bis Ende 2007 sollen bis 1000 Produkte so etikettiert sein.

Dass die Lebensmittelindustrie alles unternehmen würde, um eine staatlich vorgeschriebene Deklarationspflicht abzuwenden oder zu unterlaufen, damit war zu rechnen. Und angesichts der enormen Entscheidungsfreudigkeit und des sprichwörtlichen Tempos unserer Gesetzgebungsmaschinerie, sowie der Regulierungsunlust, die in unserem Gesundheitsministerium anzutreffen ist, hat jeder Versuch, der einigermassen flächendeckend angewendet wird, eine gute Chance, sich durchzusetzen.

Vorstösse aus dem Parlament, man möchte bitte die Realisierung eines Ampelsystems prüfen, wie es in England von der Regierung eingeführt wurde, schlummern still in Schubladen. Man wartet darauf, dass aus Brüssel eine Europa-Regelung kommt, die man dann nachvollziehen kann. Und dass dieser die Zähne schon gezogen sein werden, ehe sie den Mund aufgemacht hat, um zuzubeissen, damit ist zu rechnen.

Soll man also coop für die „Pionierleistung“ (Selbstlob im Inserattext!) preisen? – Es ist immerhin ein Ansatz, angelehnt an das Gegenmodell, das die Nahrungsmittelhersteller in England gegen die obrigkeitlichen Richtlinien propagiert haben, auch wenn die tagesbedarfsrelative Umrechnung ein gewisses rechnerisches Talent erfordert.

Interessant wäre es gewesen, wenn coop und Migros sich gemeinsam auf ein System verständigt hätten. Aber so, wie der Zickenkrieg zwischen den beiden Foodgiganten (helvetischen Zuschnitts) heute um jedes Rabättchen tobt, wäre das zu schön, um wahr zu werden.

Als Pragmatiker nimmt man zur Kenntnis, dass es dieses Label jetzt gibt. Denn dass etwas unternommen werden muss, um die Orientierung in der Nahrungslandschaft zu erleichtern, ist allen klar, die daran interessiert sind, dass der Übergewichts-Lawine irgendwie Einhalt geboten wird. Derweil das so ist, streiten sich Expertengremien über die „richtige“ Form, wie das Thema unters Volk zu bringen sei: der NZZ am Sonntag war ein Schreiben zugespielt worden, mit dem eine Gruppe anerkannter Adipositas-SpezialistInnen Kritik übt an der aktuellen Sensibilisierungs-Kampagne von Gesundheitsförderung Schweiz mit dem Motto Die Schweiz wird immer dicker. Man kann und soll eine Werbekampagne, die mit quasi öffentlichen Geldern finanziert wird, kritisieren. Das ist legitim. Hilft allerdings den Betroffenen im Moment nicht weiter. – Das Thema ist es Wert, morgen nochmals aufgenommen zu werden.