5/3  Die Oma-Diät

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:27

Von Zeit zu Zeit fällt mir eine alte Weltwoche in die Hände. Heute war es die vom 22. Februar, zwei Wochen alt, also noch einigermassen frisch. Thematisch fasziniert hat mich ein Beitrag von Beda M. Stadler, seines Zeichens Professor der Immunologie und begnadeter Provokateur in allen medizinischen und gesundheitlichen Themen.

Mit Verve knöpft er sich die gesamte Nahrungsmittelindustrie vor und hält ein flammendes Plädoyer für den Speisezettel der Grossmutter. Natürliche Lebensmittel, selber gezogen, geerntet und zubereitet… Natur pur auf der Zunge und am Gaumen, eine radikale Absage an all die unzähligen „Foods“, von deren Unverzichtbarkeit uns die Werbung täglich zu überzeugen versucht: Functional Food, Health Food, Gen-Food, Fast-Food… Diese Trendumkehr im persönlichen Ernährungsverhalten würde uns ein völlig neues Verhältnis zu den Lebensmitteln geben, die wir wieder mit Respekt und Andacht in angemessenen Portionen geniessen könnten.

Und dann ist es die Menge, die es laut Beda M. Stadler macht. Er selber hat in einem beherzten Kraftakt sein Körpergewicht von 125 auf 88 Kilo reduziert, mit der einfachen Formel „FEV“ – Friss Einen Viertel! Das ist hart, aber offensichtlich machbar. Es entspricht in etwa der täglichen Praxis, wie sie bei Magenband- und Bypass-PatientInnen anzutreffen ist. Dort lautet die Empfehlung: 6 Esslöffel pro Mahlzeit!

Nach allen Regeln der bekannten Kunst müsste diese Stadler-Kur zu einer massiven Unter-Versorgung führen und eigentlich dürfte man sie niemandem zur Nachahmung empfehlen, weil hinter dem nächsten Buffet unausweichlich der Jojo lauert… Wir müssten ihn in zwei-drei Jahren wieder befragen, sehen, ob die Umstellung auf Omas Küche und die Portionen-Selbstbeschränkung einen anhaltenden Erfolg gebracht haben.

Dass es in einem gewissen Masse möglich ist, habe ich am eigenen Leib auch erlebt. Innerhalb eines Jahres habe ich von 165 Kilo auf 130 abgenommen und diese Reduktion jetzt acht Jahre lang mehr oder weniger gehalten. Auch ich bin von der Überlegung ausgegangen, dass es machbar sein müsste, aus freien Stücken die Nahrungsaufnahme so einzuschränken, wie dies Magenband-Patienten gezwungernermassen tun… – Es war hart, aber es hat gewirkt. Ich bin zwar den sogenannten saisonalen Schwankungen unterworfen und bewege mich heute innerhalb einer Bandbreite von 10 Kilos auf und ab… Aber der „Erfolg“ hat bis jetzt angehalten. Nur ist es jetzt fast unmöglich, die untere Begrenzung nochmals zu durchstossen…

Vielleicht müsste ich es mal nach Stadlers Theorie versuchen. Aber dann wird mir bewusst, dass die wenigsten Menschen sich ein konsequentes Leben nach Grossmütterchens Küchenpraxis erlauben könnten… ein paar Aussteiger, vielleicht, genügsame Pensionisten, die Zeit haben und sie sich nehmen können. Aber das ganze grosse werktätige Volk, das im Alltagsstress steht und sich in kürzester Zeit mit etwas kalorienhaltiger Energie abfüllen muss… hätte null Chance. Das ist der Haken bei der Sache, Herr Professor.