11/4  Lachen übers Dicksein

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:23

Unlängst durfte ich ein Interview geben über meine Meinung und meine Erfahrungen, wie Betroffene mit ihrem Übergewicht „seelisch“ umgehen… Mir war klar, dass meine Antworten rein persönlich sein konnten und dass jeder und jede ihr Schicksal ganz individuell und anders erleben.

Eine Beobachtung meine ich allerdings gemacht zu haben, nicht nur an mir selber, sondern auch an zahlreichen anderen Gewichtsgenossen: viele Dicke neigen dazu, in Gesellschaft ihr Übergewicht auf eine selbstironische Weise selber zu thematisieren, um durch das Lachen über den eigenen „Witz“ quasi den möglichen Spott der anderen abzulenken, ihm die Spitze zu brechen, ehe er sich überhaupt zeigen kann. Ich ertappe mich immer wieder bei solchen Sprüchen, die sich oft auch ganz unbewusst einstellen, sei es, dass man im Aquafit-Training lautstark nach dem längsten Schwimmgurt verlangt, oder dass man sich im Kleidergeschäft nach der Abteilung für Elefanten erkundigt… was einem halt so an Blödheiten einfällt.

Und damit bin ich bei der organisierten, professionellen Unterhaltung. – Sie könnten nicht gegensätzlicher sein, die beiden Bühnenkünstler und Wortakrobaten, deren Programme ich mir nun im Abstand von einem Tag angesehen habe: Peach Weber gestern und Andreas Thiel heute. Ein sich wurstig gebender Bonvivant und kommunikativer Minimalist der eine – ein geschliffener Philosoph der politischen Unkorrektness der andere. Zwei Welten, kein Vergleich! Und auch das Publikum bei beiden Veranstaltungen völlig verschieden. Das eine würde sich beim andern kaum wohl fühlen… mit Ausnahme derer, die wie ich ein gewisses professionelles Interesse von früher noch mitbringen.

Interessant auch, dass in beiden Programmen das Thema „Übergewicht“ angesprochen wurde: ein allgegenwärtiges Sujet, das jedoch die beiden Kabarettisten nicht in gleicher Weise „betrifft“. Weber, selber schon deutlich zur Fülle neigend, folgt meines Erachten dem Klischee der vorauseilenden Selbstveräppelung (die ja generell für seinen ganzen Auftritt gilt und eines seiner Markenzeichen geworden ist). Er spricht die Thematik mehr oder weniger überraschend (oder vorhersehbar) an, wenn er etwa sagt, auch er müsse auf die Linie achten und habe deshalb seine Essgewohnheiten radikal umgestellt – er esse jetzt im Schlafzimmer. Oder: Ernährungsberatung sei ein richtiger Modeberuf geworden, deshalb habe er sich auch ausbilden lassen und eine eigene Praxis eröffnet – er gebe nun Tipps, wo die besten Fressbeizen zu finden seien. Und schliesslich den: kein Wunder, dass die Kinder immer schwerer werden, wo sie doch dauern mit der „Blei-Station“ spielen…

Bei Thiel kommt es weinger vordergründig. Er hat es selber auch nicht nötig, mit seiner dezent-eleganten, schnittigen Erscheinung. Und doch gibt er zu bedenken, ob das mit der Klimaerwärmung und den ansteigenden Weltmeeren an Ende nicht bloss eine Täuschung sei und dass in Wirklichkeit die Menschheit, die immer dicker werde, einfach die Kontinantalplatten tiefer in die Erde drücke… – Gut, Humor ist Geschmackssache, und vielleicht war das nicht die beste Pointe im Thielschen Feuerwerk, das trotzdem unbedingt zu empfehlen ist.