11/10  Alles im grünen Bereich

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:37

Es war fast wie Heimkommen. Zurück in der Kardiologie, die vertrauten OPs, déja vu. Und doch wars auch anders. Diesmal auf der ambulanten Station, für Kurzaufenthalter eingerichtet, Antreten morgens früh um sieben, zackiger Bettbezug, routinemässige Anamnese und um acht Uhr bereits mit dem Spitalbett durch die Gänge, auf den Schragen, unter die gewaltigen Apparaturen mit den Röntgenaugen und dem Bildschirm-Cockpit… so muss es wohl denen vorgekommen sein, die behaupten, sie seien nächtens von einem Ufo entführt und auf einem fremden Planeten untersucht worden. Bloss dass hier die meisten eine Sprache sprechen, die man versteht.

Um halb zehn war der Spuk vorbei, die Doktores zufrieden, einerseits mit mir, anderseits mit sich selber und der Arbeit, die sie vor vier Monaten geleistet haben. Alles besserungsmässig auf guten Wegen, die Herzkranzgefässe immer noch schön frei und elastisch, der Stent sauber, ohne Anzeichen von neuen Ablagerungen, und wenn ich es richtig verstanden habe, so scheint auch das Gewebe, das beim Infarkt lahmgelegt worden war, sich an den Rändern sachte wieder zu beleben.

Auf jeden Fall hatte das gute alte Herz als Ganzen keinen weiteren Schaden genommen, hatte sich nicht etwa unter Belastung verformt und vergrössert, war ansehnlich und kompakt geblieben, eine Freude eben für den Therapeuten und auch für den, in dessen Brust es schlägt. Jetzt ging es wieder ins Zimmer zurück, Ruhe war noch verordnet für mindestens 24 Stunden, bis die Wunde in der Leiste unter dem Druckverband einigermassen verheilt war.

Heute dann das Austrittsgespräch, ofiziell, der positive Befund hat sich durch alle Analysen bestätigt. Ein Aspekt erweckt zusätzliche Hoffnung. In den letzten Wochen tat ich mich schwer mit Treppensteigen und Bergaufgehn, rang sofort unter Belastung nach Atem und hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Der Hausarzt, dem ich diese Symptome schon geklagt hatte, meinte, es könnte sich Wasser in der Lunge gesammelt haben, machte eine Röntgenaufnahme mit seiner rumpelndenden Ionenschleuder… aber an der fraglichen Stelle war das Bild leider völlig unscharf und hell verwischt. – Entschuldigend meinte der Doc, es tue ihm leid, da könne er nichts sehen, weil die Röntgenstrahlen so schlecht durch die viel zu dicke Fettschicht gehen würden… – Er hat es nicht so direkt formuliert, aber ich habe verstanden, was er meinte. Nun waren also die Herzspezialisten zum gleichen Befund gekommen und verschrieben mir eine neue Pille zur Wasserabfuhr. Eine erste Portion verabreichten sie mir schon in flüssiger Form intravenös, legten mir eine Urinflasche auf die Bettdecke, und eine halbe Stunde später – und danach stündlich wieder – musste ich die freundliche Pflegefrau bitten, ihres Amtes zu walten, weil das immer heller werdende Nass mir halbliterweise entfuhr, als hätte ich am Vorabend das Oktoberfest trockengelegt.

Und das Beste daran: heute Abend bin ich die Treppen ohne Atemnot und ohne Verschnaufpause hochgekommen. Es lebe die Diagnostik.