5/12  Handy-Massage

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:34

Seit einiger Zeit versucht das Fräulein mit der strengen, etwas bündnerisch klingenden Stimme am Fernsehen, mich davon zu überzeugen, dass ich unbedingt jemanden oder etwas namens „Vibra“ irgendwohin an den „Start“ schicken solle, damit mein Handy dann ganz aussergewöhnlich stark zu vibrieren beginne. Ich weiss zwar nicht, wozu das gut sein könnte und warum ich dafür noch extra etwas bezahlen sollte, aber die Dame gibt keine Ruhe und meldet sich immer wieder, so dass ich langsam zu glauben beginne, es gehe um eine wichtige Sache, die womöglich etwas mit meiner Gesundheit zu tun haben könnte.

Es wäre ja denkbar, sage ich mir schliesslich, dass mein Handy dank dieser neuen Dienstleistung zu einer Art Massagegerät werden könnte, so wie der Coiffeur eines benutzt, wenn er meine Kopfhaut behandelt, um den verbleibenden Haarwurzeln zu signalisieren, dass es sich lohnen würde, herauszukommen, wie die Regenwürmer, wenn die Tropfen auf den trockenen Boden trommeln. Dann überlege ich mir wieder, dass es wohl sinnvoller wäre, zu solchem Zweck einen Apparat zu benutzen, der direkt mit Strom läuft und sicher etwas kraftvoller wirken könnte als mein kleines Sprechgerät. Auch wenn ich mittlerweile fast gratis um die halbe Welt telefonieren kann, würde ich meine Massage-Inspiration doch nicht aus Übersee beziehen!

Unsere Werbewelt steckt voller Rätsel. Die TV-Spots erzählen mir inzwischen so geheimnisvolle Geschichten, untermalt von vielsagender und stimmungsvoller Filmmusik, dass ich bis zum Schluss nicht weiss, wofür hier eigentlich geworben wird, ob für eine Bank, die nur mein Bestes will, für eine Versicherung, die nur mein Bestes will, oder für einen Lebensmittelkonzern, der auch nur mein Bestes will… Es ist so schön, dass die Welt in der Werbung hell und licht ist, dass freundliche Menschen einander helfen, Spass haben und Lebensfreude verstrahlen! Und auch ich könnte an diesem Spass und dieser Freude teilhaben, wenn ich mich nur dazu durchringen würde, endlich „Vibra“ irgendwohin zu schicken, und sofort müsste sich mein Handy verwandeln und mich in gute Schwingungen versetzen, und das Elend des Alltags hätte ein Ende.