20/2  Mit Vorbehalt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:43

War das ein Ameisenhaufen heute, die Sache mit der Lebensversicherung. Ein Artikel in der Handelszeitung, der darüber berichtet, dass die Zurich-Versicherung plant, von den übergewichtigen Kunden höhere Prämien zu verlangen. Und was wir von der Adipositas-Stiftung dazu sagen?

Zwei Zeitungen, drei Lokalradios, ein Lokalfernsehen… und während ich meine Meinung zu Argumenten und zu einem SAPS-Standpunkt formulierte, kam in mir die Erinnerung hoch: ich war damals etwa 27 Jahre alt, hatte eben meinen Arbeitsvertrag mit Radio DRS abgeschlossen. Ein Bestandteil dieses Vertragswerkes war eine betriebliche Versicherung, die, falls mir etwas zustossen sollte, meinen Hinterbliebenen eine Rente oder eine Abfindung ausrichten würde. Damals hatte mein Gewichtsproblem gerade richtig begonnen: ich hatte aufgehört zu rauchen, bewegte mich weniger, lebte kulinarisch auf grösserem Fuss und war dadurch gerade über das 100-Kilo-Limit geraten.

Als ich den Vertrag zur Unterzeichnung zurück erhielt, hiess es dort: Mit Vorbehalt, infolge Übergewicht. – Es war mir durchaus bewusst, dass ich schwerer war als viele meiner Kollegen, aber was bedeutete dieser „Vorbehalt“? Ich schrieb der Personalabteilung einen Brief (E-Mail hatten wir damals ja noch nicht, wie haben wir das bloss geschafft?) und gab in entschlossenen Worten meinem Erstaunen Ausdruck. Das sei, hiess es in der Antwort, die zehn Tage später kam (man hatte noch Zeit, damals), weil die Gefahr bestehen könnte, dass ich infolge meines zu hohen Körpergewichtes („über hundert“) vorzeitig an einer durch dieses Gewicht bedingten Krankheit sterben könnte… in diesem Fall würde die Leistung nur teilweise ausbezahlt.

Ich murrte und wollte argumentieren, wenn ich das vorher gewusst hätte, dann hätte ich auf den Stichtag meiner Aufnahme in die Versicherung hin die paar Kilos herunterhungern können… der Entscheid sei willkürlich, ungerecht, und überhaupt..! – Es nützte alles nichts. Der Vorbehalt blieb dick in meinem Personaldossier notiert und ich musste mich fortan hüten, nicht vorzeitig abzutreten. – Später habe ich meinen Versicherungsmakel wieder vergessen und heute weiss ich nicht einmal mehr, ob er jetzt, im Pensionsalter, noch gilt. Ich habe die Hürde in den Vorhof des letzten Lebensabschnittes geschafft, Vorbehalt hin oder her.

Der Gedanke, das durch ein zu hohes Gewicht bedingte versicherungstechnische Risiko abzufedern, ist also keineswegs neu. Damals traf es erst Vereinzelte, wir waren die Ausnahmen. Heute sind es mehr und in naher Zukunft werden die Dicken in der Mehrheit sein. Dann werden wir sehen, was den Versicherern noch weiter einfällt.