6/6  Dick schreckt ab

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:36

Mit einer Schock-Kampagne geht man in London von der Regierung aus gegen den Alkoholismus bei Frauen an. Die Botschaft ist brutal: Wenn du trinkst wie ein Mann – könnte es sein, dass du am Ende aussiehst wie einer. Das Bild zeigt einen Frauenkopf mit beginnender Glatze, schnapsroter Nase, breiten Hängebacken, derben Lippen und Augensäcken, auf einem eindeutig dick angelegten Rumpf…

Ein abschreckender Anblick, vor allem vor dem Hintergrund gängiger Schönheitsideale, auch wenn diese letztlich unrealistisch sind. – Übermässiger Alkoholgenuss, das ist die Botschaft, verschlechtert das Aussehen, gibt schlaffe Haut, erhöht das Risiko für einen Herzinfarkt und macht dick. Interessanterweise hat eine Umfrage gezeigt, dass mehr Frauen mit Trinken aufhören würden, um nicht Gewicht zuzulegen, als um einer Herzerkrankung zu entgehen.

Das ist ein sehr zwiespältiger Befund: da kämpfen wir dafür, dass übergewichtige Menschen nicht diskriminiert werden, dass die Vorurteile abgebaut werden, mit denen Adipöse heute immer noch konfrontiert sind… und dann werden all diese Clichés in plakativer Verstärkung zelebriert, um zu schocken. Freilich: zu einem „guten“ Zweck, denn der Alkoholismus bei Frauen ist offenbar ein gesellschaftliches und gesundheitliches Problem geworden, nicht nur in England. Aber: heiligt der Zweck wirklich die Mittel? Was fühlen Betroffene, wenn sie diese Plakate sehen? Müssen sie nicht in weit stärkerem Mass verletzt sein, als sie es etwa bei uns durch die übergrossen Schlitten und Kindervelos waren? – Eine Frage, die nur Betroffene selber beantworten können.