27/7  Schmerz lass nach

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:47

Die Verrichtungen gelingen immer besser. Das Gehen an den Stöcken im Gang hat schon fast (wenn auch nur fast) das Tempo, das meine Fortbewegung vor dem Spitaleintritt hatte… allerdings schmerzfrei. Das mit dem Schmerz ist eine besondere Sache. In allen Gesprächen und Hinweisen und schriftlichen Informationen im Spital scheint die Vermeidung von Schmerz das erste und wichtigste Anliegen zu sein. Vor und während der Operation werden Schmerzmittel durch Infusionen und besondere Kanülen direkt zu den von Schmerz betroffenen Regionen geleitet. Schmerztabletten, abgestimmt auf die jeweils möglichen Empfindungen, begleiten dich durch den Tag: vor dem Frühstück, am Mittag, zum Abendessen, vor dem Einschlafen, und bei jedem Arztbesuch ist die erste Frage: Wie sehts mit den Schmerzen?

Einst, so haben wir gelernt, war Schmerz ein wichtiges Signal, der den Körper in kritischen Situationen vor Ungemach bewahren sollte, der ihn zurückzucken liess, wenn er sich verbrennen wollte, die ihm mitteilte, dass gewisse Aktivitäten zu unterlassen seien, weil sie sich zumSchaden des Organismus auswirken konnten… die lebensrettede und lebenserhaltende Funktion des Schmerzes war in unserem Bewusstsein verankert, und da gab es nicht nur das körperliche Schmerzempfinden, sondern ebensosehr auch das psychische Leid, den Seelenschmerz, den Trennungsschmerz, den Liebesschmerz… der uns in einer bestimmten Situation zur Reinigung und zur Bewältigung einer schmerzhaften Entscheidung verhelfen sollte.

Klar, asuch hier sind die Gegenmittel bekannt. Solcher Schmerz wird gerne ertränkt in Hochprozentigem, oder übertüncht durch hektische Aktivität, verdrängt und sonstwie abreagiert, wie die causa nef leider zeigt. Aber solcher Schmerz müsste ausgehalten werden, ertragen und bewältigt. Er gehört zum Reifungsprozess, er formt die Persönlichkeit, die sich unter anderem darin erweist, wie wir mit solchen Schmerzen umgehen. Es wäre zu einfach, wenn wir auch diese Schmerzen leichterdings ausknipsen könnten, indem wir eine Pille einwerfen. Wird allerdings immer wieder versucht.

Natürlich bin ich ein Fan meines Zaharztes, weil er es auf so unnachahmliche Weise versteht, sein Handwerk schmerzfrei zu verrichten. Und natürlich möchte ich nicht tapferer sein müssen als ich bin, wenn es manchmal in meinem Bein doch in grellen Blitzen zuckt. Zum Glück nur kurz. Dann setzt die Wirkung der Pillen wieder ein.