2/9  Rencontre fédérale

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:23

Ein beeindruckender und bereichernder Abend. Eingeladen nach Bern hat unser Sponsor Johnson+Johnson und auf der Traktandenliste hiess es nur: Austausch von Ideen. Mit eingeladen waren zwei Ärzte aus der Suisse Romande, Dr. Huber aus Genf und Dr. Calmes aus Lausanne. Beides engagierte Adipositas-Spezialisten, Chirurgen am jeweiligen Unispital, die ihren Dienst an den am schwersten Betroffenen verrichten und ihnen ein neues Leben geben können.

Wir diskutieren über den Stand der Wahrnehmung der Problematik in den Regionen, über die interdisziplinäre Zusammenarbeit, über die Bedürfnisse der Patienten und über Hilfen zur Motivation, denn ohne die aktive Mitwirkung des adipösen Patienten selber ist auch bei chirurgischen Eingriffen langfristig kein Erfolg möglich. Es kommen spannende Thesen zur Sprache, über die ich mir so noch nie Gedanken gemacht habe. Zum Beispiel zur Frage der Anspruchsgesellschaft. Auf der einen Seite wird der adipöse Patient in der Öffentlichkeit nach wie vor nicht als ernsthaft erkrankter und hilfsbedürftiger Mensch wahrgenommen. Während für die Bekämpfung der Folgekrankheiten, von Diabetes bis zu Krebs, eine Fülle von Mitteln und Spendengeldern zur Verfügung stehen, muss Adipositas, die „Ursache“ dieser Krankheiten, nach wie vor um Akzeptanz und Beachtung kämpfen.

Und auf der andern Seite haben offenbar manche schwer adipöse Patienten eine stille Attitüde entwickelt, die davon ausgeht, dass ihnen eine umfassende und heilbringende Therapie „zustehe“, dass der Staat verpflichtet sei, sich rundum um sie zu kümmern, ohne eigene Dazutun… das ist eine neue Facette in der Diskussion über gerechte oder ungerechte Kassenprämien. Und ich lerne nebenbei dass es von den schwerst- bzw. extremst-adipösen Menschen (mit BMI über 60) in der Schweiz 0,04 Prozent der Bdevölkerung gebe. Das sind 2’000 Individuen, die in einer verzweifelten Situation leben und denen mit den üblichen Therapien nicht geholfen werden kann… sie brauchten eine ganz spezielle, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Sonder-Pflege und -Behandlung. Die Gesundheitsdefinitionen besagen, dass es sich bei Krankheiten, die bei weniger als 0,05% der Bevölkerung vorkommen, um „seltene“ Krankheiten handelt, die „von Amtes wegen“ besonders zu berücksichtigen und zu behandeln wären. Aber nichts geschieht, vielfach werden diese Menschen von ihrem sozialen Umfeld ausgestossen und fallen durch die Maschen der medizinischen Hilfe, weil niemand für sie zahlen mag, nachdem sie alles verloren haben.

Wir haben noch viele Themen angeschnitten, bis es die letzten Züge zu erreichen galt. Wir werden das Gespräch über die Sprachgrenze fortsetzen, es ist in jeder Hinsicht bereichernd.