26/10  Kein Wundermittel

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:25

Schon seit längerer Zeit war in der Fachpresse zu lesen, dass die jüngste der anerkannten Pillen zur Gewichtsreduktion, Acomplia/Rimonabant aus dem Hause SanofiAventis, unter gewissen Bedingungen als Nebenwirkung Depressionen erzeugen könne, die bei einzelnen Patienten sogar zum Selbstmord geführt hätten.

Wir haben diese Meldungen mit Interesse verfolgt, und auch mit sehr gemischten Gefühlen, denn die Pharma-Firma SanofiAventis ist einer unserer Sponsoring-Partner und wir sind daher an einer offenen und transparenten Information und Aufklärung besonders interessiert. Ich erinnere mich an die Markteinführung des Produktes mit einer grossen Medienkonferenz, bei der die besten Kapazitäten des Landes auftraten und des Lobes voll waren. Von Vorbehalten war damals aus den berufenen Mündern wenig bis nichts zu hören.

Die Patientenberichte, die uns erreichten, waren durchzogen. Da gab es begeisterte Feedbacks von Diabetikern, die eine klare Verbesserung ihrer kritischen Werke bemerkten und gleichzeitig deutlich Kilos verloren hatten; es gab auch die zurückhaltenden, kritischen Feststellungen von Leuten, die keine Wirkung verspürten. Das ist bei allen Medikamenten so. Wie gut sie tatsächlich sind, lässt sich nicht voraussagen, da jeder Körper individuell und unterschiedlich auf die Präparate reagiert.

Jetzt wurde offiziell bekannt, dass das Produkt auch in der Schweiz vom Markt genommen wurde und vorläufig nicht mehr zum Verkauf zugelassen ist, weil es eben Depressionen auslösen kann. Betont wird dabei, dass es sich nicht um ein „Verbot“ handle, sondern um eine „Sistierung“, also eine vorübergehende Sperrung, so lange, bis weitere Studien und Abklärungen verlässlichere Aussagen über die Nebenwirkungen zulassen. Den Patienten, die das Medikament heute nehmen, wird empfohlen, sich „ohne Eile“ beim Arzt untersuchen zu lassen.

D.P., ein Diabetiker, der mit mir zusammen in einer Sendung von Samuel Stutz aufgetreten ist als Musterpatient, weil bei ihm das Mittel gut gewirkt hat, hat sich bei mir gemeldet: jetzt, zwei Jahre später, hat er an depressiven Stimmungsschwankungen gelitten und hat auch wieder an Gewicht zugenommen… – Ich bin froh für diese klare und ehrliche Kommunikation: nur so lassen sich Risiken vermeiden. Grund zur Panik mag nach wie vor nicht bestehen: wer das Präparat absetzt, bei dem vergehen auch die Nebenwirkungen. Bei der Adipositas-Therapie gibt es keine „sicheren“ oder garantierten Lösungen. Was dem einen geholfen hat, kann beim andern gerade das Gegenteil bewirken, so komplex und individuell unterschiedlich sind die Ursachen für das krankhafte Übergewicht.

So nehmen wir denn – vorläufig – Abschied von einem Medikament, das bei vielen Menschen hohe Erwartungen ausgelöst hat und hoffen, dass es gelingt, die Formel zu verbessern, so dass sie halten kann, was bei der Markteinführung versprochen wurde. Dass die Firma Verantwortung übernimmt, indem sie ihr Produkt zurückruft, ist eine gute Voraussetzung.