30/10  Public Health im Alltag

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:32

Ich hatte heute Gelegenheit, als Experte an einem Seminar für die Ausbildung zum Master of Public Health beim Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern teilzunehmen. Es ging unter anderem darum, funktionierende Interventionsmodelle zur Vorbeugung der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen zu konzipieren.

Das ist an sich ein weites Feld, aber es hat mich beeindruckt, mit welchem Interesse und mit welcher Seriosität die AbsolventInnen, die alle bereits in einem sozialen oder medizinischen Beruf stehen, an die Arbeit gegangen sind. Vor wenigen Jahren hätte man ein solches Engagement und eine solche Lernbereitschaft für diese Thematik noch kaum für möglich gehalten. Das weckt die Hoffnung, dass im Lande Kräfte am entstehen sind, die sich für kohärente und wirksame Programme einsetzen werden, die es auf allen Stufen der sozialen Gemeinschaft brauchen wird.

Auf dem Nachhauseweg durfte ich dann wieder einmal die Segnungen des Zürcher Taxi-Wesens erfahren. Ich weiss snicht, wie es die Limmatstadt im internationalen Ranking immer wieder in die vorderen Ränge schafft: die Städtetester fahren wohl alle in gemieteten Wagen herum, so dass sie keinen Kontakt haben mit der unfreundlich-faulen Brut der motorisierten Kutscher… hier würde ein echter Bedarf bestehen für postpräsidiales Coaching auf Lebenszeit! (Ich bin mir natürlich bewusst, dass es auch freundliche, nette, zuvorkommende Exemplare gibt und hüte mich vor Pauschalurteilen.)

Nach einem anstrengenden Tag auswärts lasse ich mich – solange ich wegen der Knie-Operation noch an Krücken gehen muss – gerne von einem Taxi vom Bahnhof nach Hause bringen. Und weil ich durch den Eingriff eine eingeschränkte Mobilität im Bein habe, das heisst, den Fusss nicht mehr so weit anziehen kann, dass ich hinten in ein Auto einsteigen könnte, muss ich vorne auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. – Das wollte der erste Fahrer in der langen Reihe aber nicht: Du hinten! sagte er mit bestimmtem Ton. Warum? wollte ich wissen. Gurt kaputt, sagte er. Das war ein plausibler Grund. Was also tun? Nehme nächste Wagen, war die Antwort. Eine geräumige, bordeauxrote Limousine liess mein Passagierherz höher schlagen. Hinter dem Lenkrad hing ein hingefläzter Mensch, der mich keines Blickes würdigte. Durch das halboffene Fenster erklärte ich ihm die Situation. Ich versuchte die hintere Tür zu öffnen, aber die war verriegelt. Was ist? fragte ich. Machen Sie nicht auf? – Der Mensch zeigte mit dem Daumen gelangweilt nach hinten, auf den hinter ihm stehenden Wagen.

In diesem Moment kam mich, müde auf meine Krücken gestützt, ein ziemlicher Ärger an. Das ist mal wieder typisch, sagte ich, für die Zürcher Taxi-Misere. Zu viele Wagen, zu hohe Tarife, zu faule Fahrer, die es offenbar nicht nötig haben, ihr Hinterteil zu bewegen, um redliche Gäste zu befördern… – Es kann sein, dass ich dabei etwas weniger gepflegte Worte gebraucht habe. Jetzt bequemte sich der Mensch tatsächlich aus seinem Wagen und machte ein unfreundliches Gesicht und eine drohende Gebärde. Passanten blieben stehen und schauten zu. Vor einer weiteren Auseinandersetzung drückte ich mich, indem ich brummelnd Richtung Tramhaltestelle davonhumpelte. Der Heimweg war mühevoll, über schmelzende Schneereste, durch Pfützen, stehend im rüttelnden Tram… aber die gesparten 30 Franken waren die Sache wert. Und ich hatte mich erst noch bewegt.