9/11  Schnell zuviel

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:53

Iss nicht so schnell, es nimmts dir niemand! mit dieser Ermahnung versuchte unsere Mutter jeweils, uns zu einem massvollen Esstempo anzuhalten, zu verhindern, dass wir unsere Teller leer schaufelten und die Speisen unzerkaut hinunterschlangen. Das war quasi eine Botschaft aus der Zivilisation… denn nur unzivilisierte Lebewesen balgen sich ums Essen, das sieht man, wenn Löwen im Dokumentarfilm ums Aas kämpfen oder wenn die Schweine sich gegenseitig vom Futtertrog drängen.

Das im Elternhaus Gelernte wurde auf die Prüfung gestellt, als ich während meines Studiums im Norden Englands als Aushilfslehrer an einer Comprehensive School tätig war. Diese Schulen, in denen alle Stufen und Kategorien zusammen unterrichtet werden, hatten ein hartes Regime beim gemeinsamen Mittagessen: Die Schüsseln mit den Speisen standen schon auf den Tischen verteilt, wenn die Schüler sich – immer zu acht – an die Plätze begaben. Ein Lehrer sprach ein kurzes Gebet – das Amen war das Signal, aus den Töpfen zu schöpfen.

Fünf Minuten nach dem Amen kam die Küchenmannschaft mit dem Supplement-Wagen. Wer seinen Teller leer hatte, kriegte Nachschlag. Wer noch nicht aufgegessen hatte, ging leer aus. So wurden die Kids zu Schlingern erzogen: Wer seine Platte am schnellsten leer putzte, der hatte die grösste Chance, nochmals vlon der Steak-and-Kidney-Pie zu bekommen. Das galt auch für uns Lehrpersonen, die wir zwecks Aufsicht auf die Tische verteilt waren.

Eine neue Studie aus England hat nun nachgewiesen, dass ein Zusammenhang besteht zwischen dem Ess-Tempo und der Nahrungsmenge, die aufgenommen wird. Je schneller jemand seine Mahlzeit verschlingt, desto grosser ist die Wahrscheinlichkeit, dass er deutlich mehr isst, als einer, der sich Zeit nimmt. Zeitlich gestaffelte Blutproben nach dem Essen haben unerschiedliche Mengen jener Hormone gezeigt, die für das Sättigungsgefühl verantwortlichb sind. – Die bekannte Faustregel, dass man sich beim Essen Zeit lassen sollle, weil sich das Sättigungsgefühl erst nach 20 Minuten einstelle, ist also wissenschaftlich bewiesen. Mutter hat rückwirkend Recht bekommen. Dumm nur, dass unsere Alltagshektik, die uns zwingt, uns im Stehen oder im Gehen mit Fast Food zu verpflegen, so wenig Rücksicht nimmt auf diese Erkenntnis.