27/8  Was ist noch normal?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:21

Norm – Normalität – normal.. laut Lexikon das, was „regelrecht“, „vorgeschrieben“, „allg. üblich“ ist. Was normal ist, gilt als von der Gesellschaft akzeptiert. Was nicht normal ist, nannte man früher „anomal“, eine „Anomalie“ ist eine Ausnahme, eine Abweichung von der Regel.

Warum dieser Exkurs? – Yvonne ist 15 Jahre alt. Sie ist 1.60 gross und wiegt 54 Kilo. Sie fühlt sich dick und übergewichtig. Sie hat einen BMI von 21. Das sei absolutes Normalgewicht, sagt man ihr. Darauf antwortet Yvonne: „Aber normal ist doch gar nicht mehr normal, oder?“ – So wie Schönheit letztlich im Auge des Betrachters liegt, so wird das als „normal“ empfunden, was den eigenen Vorstellungen entspricht, die sich am gesellschaftlichen Umfeld orientieren.

Man könnte Yvonne lange gut zureden: ihre Meinung würde sie nicht ändern, sie fühlt sich zu dick – also IST sie zu dick! Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man die „Vorbilder“ betrachtet, an denen sich junge Menschen heute orientieren (müssen). – Auch Vorurteile oder Verblendung können die Wahrnehmung trüben. Das belegt eine interessante Sudie aus Kanada: Eltern wurden befragt, ob sie ihre Kinder für übergewichtig halten.

Das Resultat ist verblüffend. Während die Messungen des Gesundheitsdienstes ergaben, dass 26 Prozent der kanadischen Kinder übergewichtig oder adipös sind, gaben lediglich 9 Prozent der Eltern an, dass ihre Kinder Übergewicht hätten. Was bedeutet, dass in zwei von drei Fällen das Gewichtsproblem des Kindes nicht als solches „erkannt“ und auch nicht entsprechend behandelt wird!

Was wiederum bedeutet, dass zwei Drittel der übergewichtigen Kinder (in Kanada) ohne eine verantwortungsvolle Begleitung weiterhin zunehmen und Gewicht zulegen werden. Die Studienleiterin Dr. Ruth Collins-Nakai zieht den besorgten Schluss, dass durch diese Selbst-Täuschung der Eltern die Kinder von der Realität ihrer Gewichtsprobleme abgeschirmt werden, was langfristig zu schweren Gesundheitsstörungen führen wird.

Dieser Befund wirft leider auch ein grelles Licht auf die Problematik der so gerne beschworenen „Selbstverantwortung“ der Menschen, wenn es um die eigene Gesundheit geht. Doppelt dumm, dass die Kinder selber (noch) nichts dafür können.