17/2  Paradox

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:31

Mit der Adipositas-Epidemie ist es ein wenig wie mit der globalen Erwärmung. Wir erkennen das Problem, sehen es auf uns zukommen, wissen, dass die Lösung zum einen von jedem Einzelnen abhängt, zum andern vom Willen der Gesellschaft, die erforderlichen Vorkehren zu treffen.

Aber wenn es dann daran geht, ganz persönlich die Konsequenzen zu ziehen, werden uns plötzlich unsere Grenzen bewusst. – Da sind sich die Experten einig, dass wir, wenn es wichtig ist, dass die Menschen sich wieder mehr bewegen, die Städte „fussgängerfreundlich“ gestalten müssen, dass wir Anreize schaffen sollten, einige zusätzliche Schritte zu tun, in Bewegung zu kommen, so beiläufig. Dass es dafür – wenn nötig – Gesetze braucht, Verordnungen für die Städeplanung, ein neues Verhältnis zu Raum und Distanz.

In der Theorie ist das prächtig. Aber dann holt uns die Praxis des Alltags ein, mit einer Meldung wie dieser, die ich heute in der Zeitung gelesen habe: Die Post plant, die Schalter im Zürcher Hauptbahnhof zu schliessen, so dass ihre Kunden künftig bis zur am nächsten gelegenen Sihlpost 350 Meter gehen müssen.

Und schon merke ich, wie sich in mir ärgerlicher Widerstand regt: Was soll denn das!? Muss das jetzt sein? Es war doch so praktisch, im Vorbeigehen auf dem Weg zum Zug noch schnell Briefmarken zu kaufen, ein Paket aufzugeben… und nun soll ich einen Umweg machen? Muss am Ende den Heimweg anders organisieren, mehr Zeit einrechnen?

Die erste Sorge gilt meiner Bequemlichkeit, statt dass ich mich freuen würde über eine geschenkte Chance, mit dem kleinen Umweg etwas zusätzliche Bewegung reinzuziehen! – Es ist offenbar leichter, theoretische Forderungen aufzustellen, als sich in der Praxis daran zu halten… Jede gelebte Veränderung braucht Überwindung. Wer mehr zu Fuss geht, hilft letztlich auch dem Klimawandel vorzubeugen.