3/10  Falsches Signal

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:58

Ausser im Falle einer akuten Hungersnot ist es objektiv von Vorteil, dünn zu sein. Nicht allzu dünn, aber doch so, dass man sich elegant und leicht bewegen kann. Wie zum Beispiel Michael von der Heide auf der Bühne, der noch bis zum 7. Oktober im Zürcher Hechtplatztheater mit seinem Programm „Nachtflug“ gastiert. Ein absolutes Must für Michi-Fans, wie sich an der Première vom Dienstagabend gezeigt hat: ein Feuerwerk von Charme, Parodie, Musikalität, Gesang und Entertainment. Ein tobender Kobold im zweiten Teil, für den der enge Raum zwischen den Instrumenten fast zu knapp war. So wie er sich bis zur Erschöpfung bewegt, hat er kaum eine Chance, Gewicht anzusetzen, selbst wenn es die Natur nicht so gut mit ihm gemeint hätte.

Dünne Menschen haben es ohnehin besser, das hat eine Studie an der Universität Tübingen gezeigt. Ein brutaler Werte-Raster setzt die Akzente schon in der Kindheit, wie ein Experiment mit 450 Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 15 Jahren gezeigt hat. Sechs Fotos wurden den Kids vorgelegt: drei von Knaben und drei von Mädchen; je eines „normalgewichtig“, eines normalgewichtig im Rollstuhl und eines adipös. Diese Bilder galt es zu bewerten und in eine soziale Rangliste einzuordnen, mit Begriffen zu verbinden wie Sympathie, Intelligenz, Faulheit und Attraktivität. Auch sollten die Probanden angeben, wen sie am liebsten als Spielkameraden möchten.

Und wen wunderts, dass sich bei dieser Übungsanlage alle bestehenden und denkbaren Vorurteile gnadenlos bestätigt haben? Am meisten Sympathien fand das „normalgewichtige“ Mädchen. Die behinderten Kinder lagen glaichauf mit dem „normalen“ Jungen. Die dicken Kinder waren abgeschlagen am Ende der Sympathie-Skala, mit ihnen mpochte niemand spielen und sie wurden mehrheitlich als „am dümmsten“ eingeschätzt. 95% der Befragten setzten „dick“ gleich mit „faul“.

Das alles wissen wir eigentlich und es wäre eines der Ziele unserer Arbeit, gegen solche Werturteile Gegensteuer zu geben… und doch ist die Bestätigung des Befundes immer wieder erschreckend und frustrierend. Man müsste meinen, dass sich mit der fotschreitenden Ausbreitung der Gewichtsproblematik zwangsläufig ein Umdenken einstellen sollte… aber das ist offenbar (noch) nicht der Fall. Und dieser Umstand ist eine mächtige Hypothek bei jedem Versuch, über das Thema sachlich korrekt zu informieren. Man denke nur an gewisse Reaktionen auf die Kampagne mit dem breiten Schlitten. Die Arbeit geht uns nicht aus.