24/1  Resonanz

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:07

Da war doch heute dieser Bericht in den Zeitungen, dass die grossen Sänger vermehrt auf Linie achten und auch nicht mehr so voluminös sind, wie sie das früher waren. Ich gebe zu, dass ich nie viel mit Opern anfangen konnte, weil es mir einfach nicht einleuchten wollte, dass diese korpulenten Damen, die da ihre Arien schmetterten, angeblich an Schwindsucht dahinsiechen sollten… und dass die jugendlichen Liebhaber so eine Wampe schwangen, war zwar irgendwie tröstlich, aber doch wenig wirklichkeitsgerecht.

Aber wenn man Vicky Baum gelesen hatte, dann war die Welt der Opernhäuser angefüllt mit schwülen Intrigen und testosterongeschwängerten Kulissen, und die gewaltigen Stimmen erschallten so eindrücklich, weil sie über einen ausreichenden Resonanzboden verfügten, und man muss dabe nicht nur an Luciano Pavarotti denken. Oder vor dem inneren Auge macht sich Iwan Rebroff breit, der angebliche Russe mit dem kellertiefsten aller Bässe…

Die menschliche Klangfülle, wenn sie denn wohltönend sein soll, braucht den Stützpfeiler des leiblichen Gewichts, um angenehm zu klingen… welch kreischend-krächzende Laut-Exzesse sich so ausgemergelte Figuren à la Goebbels oder Hitler abringen mussten, das wurde uns in den letzten Tagen durch zahlreiche historische Dokumentationen vor Augen und Ohren geführt. Beklemmend bleibt die Gewissheit, in welch verheerendem Masse die Menschen damals solchen Erscheinungen bis zur Hörigkeit verfallen sind. Da lob ich mir das resonante Zugewicht und hoffe, dass die Sänger nicht allzu dünn werden. Am Ende hat es auch damit zu tun, dass es früher noch keine Verstärkeranlagen gab.


2 Kommentare zu “Resonanz”

  1. SchönerSo sagt:

    Lieber Herr von Grünigen
    Ihren Brückenschlag vom auf Leibesfülle und wohlklingendem Resonanzboden basierenden Wohlgesang der Opernsänger hin zum ‚kreischenden‘ Geschrei eines ‚ausgemergelten‘ Goebbels oder Hitlers finde ich doch sehr befremdlich. Und wenn Goebbels und Hitlers mit Engelszungen geredet hätten: Sie waren und bleiben unfassbare Verbrecher gegen die Menschheit – keine Leibesfülle hätte sie je geadelt. Als ob die Stimmen, oder gar Körpervolumina hier irgendeine Relevanz hätten!
    Daher: sicher gut gemeint, aber m.E. eine unglückliche Vermischung zweier Wirklichkeiten… das zu lesen hat mir weh getan.
    Beste Grüsse!

  2. Liebe SchönerSo
    Danke für Ihren Diskussionsbeitrag und sorry dafür, dass Ihnen die Lektrüre Schmerz bereitet hat. Das war nicht beabsichtigt. – Allerdings ziehen Sie Ihrerseits eine Schlussfolgerung aus meinen Ausführungen, die wohl auf einem Missverständnis beruht. Keinesfalls sollten die Verbrechen der Nazi-Grössen relativiert werden, im Gegenteil: das Unfassbare, dass ein ganzes Volk sich von solchen Figuren in Bann schlagen liess, wurde in den zurückliegenden Wochen durch eindrückliche historische Dokumentationen und Dramatisierungen belegt und in Erinnerung gerufen.

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