15/4  Am Pranger?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:58

Das war eine brisante Mischung, die sich am Dienstagabend bei der ARD (DasErste) in der Sendung Menschen bei Maischberger eingefunden hatte. Das Thema war aktuell und zugespitzt formuliert: Dicke am Pranger: Faul, gierig, undiszipliniert?

Da war ein magenoperiertes Paar, beide nach massivem Gewichtsverlust sehr zufrieden mit ihrem Erfolg; da war Star- und TV-Koch Johann Lafer, der mit einem eigenen Ernährungskonzept („Lafer nimmt ab“) in einem Jahr 15 Kilo abgespeckt hat und dabei (nach eigenem Bekunden) schlemmt wie Gott in Frankreich; da war Margit Schönenberger, die nach einem Diät- und Jojo-Marathon beschlossen hatte, lustvoll dick zu bleiben und darüber das „Diätenhasser-Buch“ schrieb; und da war die Ärztin Dr. med. Annette Heller, die behauptet, jeder könne abnehmen, wenn er/sie nur richtig wolle, denn die meisten dicken seien an ihrem Übergewicht selber schuld… und schliesslich als medizinischen Konterpart Dr. med. Gunter Frank, dessen provokative These lautet: „Politik und Gesellschaft betreiben eine Hexenjagd gegen Dicke“, Übergewicht sei vor allem genetisch bedingt und jede Kampagne zu dessen Bekämpfung sei zum Scheitern verurteilt und deshalb unverzüglich einzustellen… sein Buch trägt den Titel „Lizenz zum Essen“.

Die Moderatorin versuchte gar nicht erst, unter diesen divergierenden Positionen einen gemeinsamen Nenner oder Konsens zu finden. Sie war gut dokumentiert, untermalte ihre Fragestellungen mit dem Resultat von Publikumsumfragen und Reportagen, aber letztlich blieb jeder der Teilnehmenden bei seiner/ihrer Ansicht und Meinung. Die Erkenntnis am Schluss war so simpel wie allgemein: es gibt kein Patentrezept, was für den einen funktioniert, muss nicht auch bei der andern taugen, jeder Fall von Übergewicht ist unterschiedlich definiert und muss individuell angegangen werden.

Interessant bleibt in der Erinnerung doch die Auffassung des Mediziners Frank, dass es den wissenschaftlichen Nachweis gar nicht gebe, dass Übergewicht mit einem erhöhten Krankheitsrisiko einhergehe, ja im Gegenteil: „mollige“ Menschen würden in jeder Gesundheits-Befragung deutlich besser abschneiden als die mageren und Diät-Geschädigten… und überhaupt: man solle die Dicken dick sein lassen, sie befreien von Schuldgefühlen und sie vom Druck der Gesellschaft entlasten, denn die wesentlichste Ursache für Übergewicht sei der Stress, den man den Molligen von Kind auf mache, indem man sie zu „gesundem“ Essen und zum Abnehmen zwingen wolle. – Dass es sich allerdings mit der „morbiden Adipositas“ anders verhalte, das räumte er am Schluss doch noch ein…

Es bleibt eine Botschaft, die in Fachkreisen noch Stoff für viele Diskussionen bieten dürfte.