16/5  Zu mager

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:07

Eine BBC-Dokumentation am Fernsehen hat mich heute sehr beeindruckt und einige Bilder haben sich mir tief eingeprägt. Es ging um junge Frauen, Kinder noch, die an Anorexie litten, an Magersucht, und die in ein spezialisiertes Heim eingewiesen wurden, wo sie zu normalem Essverhalten gebracht werden sollten, um ein gesundes Gewicht zu erreichen. Das Heim hat rund 30 Plätze und wird von einer Ärztin geleitet. Die Mädchen, zwischen 13 und 17 Jahre alt, kommen stark untergewichtig und müssen lernen, sich in kleinen Schritten und unter grosser Mühsal an ein neues Selbstgefühl und einen veränderten Umgang mit Nahrung und eine völlig andere Wahrnehmung des eigenen Körpers anzunähern.

Es sind kluge Kids aus gutem Haus, die sich der TV-Reporterin gegenüber dezidiert und klar äussern, die absolut in der Lage sind, ihre Situation zu reflektieren und ihr eigenes Verhalten zu analysieren, die aber auch glasklar die Regeln im Heim und deren strikte Anwendung kennen und kommentieren, mit einem wachen Sinn für Verhältnismässigkeiten und Gerechtigkeit.

Und doch treten aberwitzige, unglaubliche Situationen ein: Die Kinder sammeln im Garten Kieselsteine, mit denen sie sich heimlich beschweren, damit es auf der Wage wirkt, als hätten sie zugenommen. Sie lassen bei Tisch Essen in ihren Taschen verschwinden, das sie aufs Zimmer schmuggeln, um es dort zu verstecken, damit sie es nicht zu sich nehmen müssen. Sie erbrechen sich heimlich in ihren Koffer oder ihre Handtasche, um nicht zuzunehmen. Ein Mädchen bewegt sich in der Nacht heimlich, sie steht auf und läufgt in ihrem Zimmer herum, umn Kalorien zu verbrauchen… damit sie dies nicht mehr kann, wird sie rund um die Uhr bewacht, auch auf der Toilette, damit sie dort nicht heimlich Wasser trinkt, um sich schwerer zu machen. Ein anderes Kind kommt völlig ausgetrocknet aus dem Heim-Urlaub zurück: sie hat drei Tage lang nichts getrunken, weil sie von der fixen Idee besessen ist, auch Wasser enthalte Kalorien und der Etiketten-Aufdruck sei Schwindel.

Während Monaten haben die Jugendlichen ein solches Programm zu absolvieren, bis sie wieder nach Hause können, und auch dort werden sie wöchentlich kontrolliert, ob sie das neue Gewicht halten können. Die Anzahl magersüchtiger Kinder ist wesentlich kleiner als die der Übergewichtigen. Und doch schweben die Kids in Lebensgefahr, wenn sie den Ausstieg nicht schaffen. Das Krankheitsbild ist hier irgendwie klarer, eindeutiger. Umso unverständlicher bleibt, dass sich die Notwendigkeit einer Therapie in der Regel jeder Einsicht bei den Betroffenen entzieht.