16/6  Zerrspiegel

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 20:51

Gelegentlich ertappt man sich dabei, wie man sich selber zusieht. Zum Beispiel dann, wenn man an einem Schaufenster entlang geht. Oder sonst an einer Fläche, die spiegelt. Man dreht dann den Kopf leicht zur Seite, nimmt sich im Profil wahr, so wie einen sonst nur die andern sehen, und für einen kurzen Moment ist man der Andere, dem man zuschaiuen kann, wie er schreitet und einen mächtigen Körper Schritt für Schritt vorwärts stemmt… dann blickt man wieder weg. Will man das wirklich sehen?

Der Blick in den Spiegel kann täuschen. Frauen – das hat eine Untersuchung an University College in London gezeigt – neigen dazu, sich selber im Spiegel kürzer und breiter zu sehen, als sie in Wirklichkeit sind. Beim Versuch, einen verdeckten Körperteil – z.B.die Hand – in seiner Grösse zu umreissen, hätten die Probanden diesen immer zu kurz und zu breit skizziert. Und was für einen Teil des Körpers gelte, das habe auch für die ganze Erscheinung Gültigkeit.

Viele Leute würden sich für dick halten, obwohl ihr Spiegelbild sie eines andern und bessern belehren müsste: So stark könnten Vorurteile gegenüber dem eigenen Körper sein, dass selbst der Anblick der Wirklichkeit nicht als Realität wahrgenommen werde. Dies könnte daher kommen, mutmassen die Forscher, dass der Körper sich selber zwar über verschiedenste sensorische Elemente „wahrnehmen“ kann, wie etwa die Spannung der Muskeln oder die Biegung von Gelenken, das Körpergewicht… dass diesen Wahrnehmungen jedoch im Gehirn als Widerpart eine Ideal-Vorstellung gegenübersteht, welcher der „gefühlte“ Körper nicht entspricht. Und aus der vermeintlichen Differenz im Unbewussten leitet die innere Wahrnehmung ein Defizit an Schlankheit ab… Pech gehabt.