4/8  Diskriminell!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:23

Dass einem Menschen aus einem – zu grossen – Körpergewicht keine Nachteile erwachsen sollen/dürfen, darüber sind sich die meisten einig. In der Praxis sieht es indessen oft ganz anders aus. Die Diskriminierung übergewichtiger Personen in Ausbildung, Beruf, Alltag und sogar im Gesundheitswesen ist leider nach wie vor eine Realität, die sich nicht leugnen lässt.

Nun gibt es in Deutschland seit einiger Zeit eine Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung (GgG). Sie ist der Amerikanischen NAAFA (National Association to Advance Fat Acceptance) nachempfunden und setzt sich durch Lobbying und politische Aktivitäten gegen jede Diskriminierung von übermässigem Körpergewicht zur Wehr. Das ist verdienstvoll und lobenswert, zumal die Initiative auf Ehrenamtlichkeit beruht und dadurch weitgehend unabhängig ist.

Bei der Durchsicht der „häufig gestellten Fragen“ (FAQ) ist mir aufgefallen, dass neben sehr vielen wissenswerten Sachinformationen auch mit einer gewissen Militanz der Standpunkt vertreten wird, jedes Bemühen, übergewichtige Menschen beim Abnehmen zu unterstützen, trage letztlich zu deren Diskriminierung bei und richte mehr gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Schaden an als das Übergewicht an sich. Simpel vereinfacht: Lasst die Dicken dick sein!

Was mir an dieser Botschaft gefällt ist die eindeutige Absage an jede Form von Schlankheitswahn und der Appell, man solle auch seinen allenfalls etwas molligen Körper zu akzeptieren und zu lieben lernen. Es ist richtig, dass falsch verstandene Schönheitsideale viele junge Menschen in einen Teufelskreis von Fastenkuren und Jojo-Effekt treiben. Aber auf der andern Seite bleibt der Aspekt der individuellen Befindlichkeit. Schon in den 80er-Jahren gab es die Bewegung „Wir sind rund – na und?“, der ich mich als jüngerer Mensch mit einiger Begeisterung angeschlossen hatte. Nie hätte ich mein exzessives Gewicht als „Krankheit“ anerkannt. Erst zwanzig Jahre später, als sich die Gelenkschmerzen einstellten, als der Atem immer schwerer ging, als das Treppensteigen zur Qual wurde… da hat mich mein Körper unmissverständlich eines anderen (ich sage nicht „besseren“) belehrt. Und ich wäre froh gewesen, schon früher mein Gewicht etwas weniger auf die leichte Schulter genommen zu haben.

Das ist der heikle Aspekt einer solchen Bewegung, die das Gute meint, aber fatalerweise auch Schlechtes bewirkt, nicht zuletzt dadurch, dass sie gratis Munition liefert für jene, welche die gesundheitlichen Präventions-Bemühungen aus politischen Gründen abschiessen möchten.