7/11  Marktforschung

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:44

Übers Wochenende, wenn die Leute zuhause sind und Zeit haben, melden sich die Marktforscher. Ich war gerade dabei, aus der Wohnung zu gehen zum wöchentlichen Grosseinkauf, als das Telefon klingelte. Die Dame fragte im Auftrag einer renommierten Meinungsforschungsfirma höflich, ob ich etwas Zeit für sie hätte. Wie lange denn, wollte ich wissen, den samstäglichen Ladenschluss vor Augen. Keine zehn Minuten, beruhigte sie mich. Also los.

Es ging ums Einkaufen. Ob ich diese Grossverteiler kenne: Denner, Lidl, Coop, Aldi, Migros. Ja, sicher, kannte ich die. Wie häufig ich denn dort einkaufe: mehr als dreimal die Woche? einmal wöchentlich? einmal pro Monat? weniger häufig? – Das beantwortete ich wsahrheitsgemäss, wobei vielleicht noch interessant gewesen wäre, ob es für den Wocheneinkauf ist oder für ein Sandwich am Mittag, ob für den gerade ausgegangenen Kaffeerahm im Büro oder für die Pralinen, die man zum Besuch mitnimmt… aber so genau wollte es die Dame nicht wissen.

In einem Lidl, sagte ich, sei ich noch nie gewesen. Trotzdem bestand die Dame darauf, mich bei jeder Frage auch explizit nach meiner Bewertung des Lidl-Angebotes zu befragen: die Frische der Frischprodukte, die Qualität der Molkereiprodukte, die Auswahl an Drogerieprodukten, die Backwaren, das Süsswarenangebot, das Preisniveau, die Freundlichkeit der Bedienung… und es half nichts, wenn ich ihr bei jeder Lidl-Frage mit etwas angehobenerer Stimme sagte, da sei ich noch gar nie gewesen.

Auch beim Denner hatte ich sie bei der ersten Frage schon darauf hingewiesen, dass die kleine Filiale bei uns um die Ecke nur wenig Frischprodukte führte und ein kleines Sortiment habe, ich daher ihre entsprechenden Fragen kaum objektiv beantworten könne – was sie nicht daran hinderte, sich bei sämtlichen Fragen auch nach dem Denner zu erkundigen.

Als ich nach einer guten Weile darauf hinwies, die zehn Minuten seien schon länger vorbei, strebte sie den Schlussfragen zu. Wieviele Personen in unserem Haushalt leben würden? Und wie alt ich sei. – Als ich mein Alter nannte, bedankte sie sich knapp und hängte auf. Ich vermute stark, es war ihr erst jetzt klar geworden, dass ich mit meinen bald 70 Jahren gar nicht zum Segment des zu befragenden Zielpublikums gehörte.

Denken Sie daran, wenn Sie demnächst in einem Communiqué etwas von der Akzeptanz und vom Image der grossen Lebensmitel-Ketten lesen: aus der Vielzahl der Halb- und Teilwahrheiten ergibt sich erst die ganze Wirklichkeit.