1/5  Natur-Wunder

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:36

Kürzlich habe ich in einem lokalen Dorfladen einen Liter Milchdrink gekauft. Ablaufdatum: 29.04.2011, also gestern. Heute, die Flasche war noch mehr als halb voll, wollte ich etwas davon in meinen Frühstückskaffee giessen. Aber o Schreck: da plumpste ein träges Stück gestockter Milch heraus in die Tasse.. Reflexartig schnupperte ich am Flaschenhals und bereitete meine Geruchsnerven schon vor auf diesen fauligen Gestank, den Pastmilchdrink nach dem Verfalldatum zu verströmen pflegt.

Aber weit gefehlt: aus der Flasche kam mir ein süssslich angenehmer Duft entgegen, wie von frischer Milch. Mit dem Löffel entnahm ich der Flasche eine Probe und die schmeckte genau so, wie früher unser Joghurt geschmeckt hatte, das wir in Litergläsern selber mit einer Impfung und der richtigen Temperatur ansetzten… Und schlagartig stiegen in mir die anderen Jugenderinnerungen auf, die sich mit Milch verbanden. Wie wir sie beim Bauern kuhwarm abholten. Wie wir sie in grossen Schalen aufstellten, nach einer Nacht dann mit einem flachen Löffel die dicke, faltenwerfende Rahmschicht abhoben, daraus in einem viereckigen Glas mit eingebautem Rühr-Mechanismus Butter machten… und wie die Milch gelegentlich, wenn wir sie zu lange nicht gebraucht hatten, beim Erhitzen sich teilte, in weisse Klümpchen und gelblich-durchsichtige Molkenflüssigkeit, die wir durch ein Sieb abgossen, es gab dafür sogar ein ganz besonderes Sieb aus verzinntem Metall, unten spitz zulaufend, mit ganz feinen Löchern in der Seitenwand, so dass sich aus dem Milchklümpchen ein kegelföriger kleiner Zigerstock bildete, Frischkäse vom feinsten, mit winzigen Noppen vom Sieb, selbstgemacht, süsslich-sanft, eine längst vergessene Leckerei…

All das stieg heute Morgen in meiner Erinnerung auf beim Geschmack der gestockten Milch, und ich hatte im Handumdrehen mit Pfännchen und Kaffeesieb ein kleines Zigerstöckchen hergestellt. – Die Milch stammte aus einer lokalen Käserei in einem Thurgauer Ort, an der Käsereistrasse 1 domiziliert. Die Aufschrift auf der Etikette war kein Konsumentenbetrug: Frischer Milchdrink. – Was zum Teufel, geht mir seitdem durch den Kopf, panschen wohl die grossen Milchbarone à la Emmi und ELSA und wie sie alle heissen, in ihre Massenmilch, dass die so kotzübel schlecht stinkt und einen ekelerregend fauligen Geschmack annimmt, wenn sie über das Verbrauchsdatum hinaus stehen bleibt? Ich möcte es gar nicht wissen! Seit einiger Zeit gibt es ja Milch, die sich im Laden länger auf dem Regal hält… zum  Vorteil des Handels ist dies gewiss. Ich muss aber annehmen, dass diese Milch vorher biologisch abgetötet wird. Was so nach Verwesung stinkt, mussLeichengeruch sein. Da lobe ich mir die Frische aus der Natur.