22/6  Glocken der Heimat

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:49

Durch eine selten blöde TV-Serie sind sie vor einiger Zeit unrühmlich ins Gerede gekommen: die Känguruh-Hoden, die im Rahmen der Sendung Dschungel-Camp im Sinne einer Mutprobe von den Kandidaten roh verspeist werden mussten…

Sie wurden dadurch zum Inbegriff des Grusel-Fressens und liessen völlig vergessen, dass es in früheren Zeiten gang und gäbe war, die Nutztiere bis auf die Knochen komplett zu verputzen. Noch in unserer Jugend war Kuh-Euter ein gängiges und günstiges Fleisch, die Innereien kamen auf den Tisch, das weniger wertvolle Fleisch in den Topf. Und in den urtümlichen Vorzeiten soll das Verspeisen der Hoden des getöteten Gegners dazu geführt haben, dass dessen Manneskraft auf den Sieger überging, ebenso wie das verzehrte Gehirn der Feinde angeblich die eigene Denkkraft erhöhen sollte.

Nun sind wir also zivilisiert und all diese „minderwertigen“ Tier-Bestandteile wandern in den Abfall (mit Glück noch in die Wurst, die aber auch immer strenger geregelt ist). – Geht uns da nicht etwas verloren? Der Ernährungs-Blog dietblog hat diese Frage aufgeworfen und sie auch beantwortet, indem er eine Nährwert-Analyse des Hoden-Fleischs vornehmen liess. Dabei stellte sich heraus, dass dieses einen hohen Gehalt an (gutem) Cholesterol aufwies, wenig Fett (3 Gramm auf 100), viel Eiweiss und zahlreiche Vitamine und Spurenelemene. Insgesamt also eine sehr gesunde Sache, die eigentlich zu Unrecht in der Abfallvernichtung landet.

Nun ist es nicht so, dass diese Dinge beim Metzger in der Auslage zu finden sind. Man muss sie im voraus bestellen. Und dann müsste ein passendes Rezept für die Zubereitung zur Hand sein. Aber Kult-Restaurants, die sie im Angebot haben, melden rekordverdächtige Nachfrage. In Bern, in der alten Metzgergasse, wurden sie in der Beiz unter dem Namen Glocken der Heimat serviert.