27/10  Gewicht als Waffe?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:33

Über einen Satz bin ich heute beim Lesen der Abend-Gratiszeitung ins Studieren geraten. Es ging um die junge Frau, die ihren Vater erschossen hat und vom Gericht freigesprochen wurde, da sie glaubhaft darlegte, sie habe in Notwehr gehandelt.

Der Satz lautete: Ihr eigenes Leben sei durch den 150 Kilo schweren Kampfsportler unmittelbar bedroht gewesen. – Die wichtigste Charakteristik der lebensbedrohlichen Gefahr war also das Gewicht des Vaters. Nicht in erster Linie seine unberechenbare Brutalität und seine Neigung zu Gewalttätigkeit… sondern sein Gewicht.

Wenn es nicht von einem so tragischen und zugleich so emotionalen Fall handeln würde, so könnte man sagen, der oder die VerfasserIn des Satzes habe bös daneben gegriffen und – wohl unbewusst – jeden einigermassen übergewichtigen Bürger aufs Gröbste diffamiert und verletzt, indem jeder zu einer potenziellen Lebensgefahr erklärt wird, der mehr als 150 Kilo auf die Waage bringt. Man könnte uns Dicke also problemlos erschiessen, denn durch unser Gewicht darf man sich in seinem „eigenen Leben“ bedroht fühlen…

Gut, ich denke nicht, dass Adrian Schulthess und Melanie Gath, die diesen Text offenbar verfasst haben (wenn er nicht von der Redaktion fahrlässigerweise umgeschrieben wurde), bewusst eine solche These in die Welt setzen wollten. Das ist wohl eine etwas gesuchte, konstruierte Unterstellung meinerseits… aber es zeigt doch auch, wie verletzend eine unbedachhte Formulierung sein kann, die man besser zweimal kontrolliert, ehe man sie in den Druck gibt. Ich jedenfalls werde mich trotz meiner 152 Kilo mit reinem Geswissen ins Bett legen. Das einzige Leben, das von meinem Gewicht bedroht ist, ist mein eigenes.