8/3  Danke, Frau Fiala!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:24

Ein typisch Schweizerisches Skandälchen wird derzeit durch die Medien getrieben: Doris Fiala, FDP-Nationalrätin und PR-Fachfrau, lässt sich für das „ehrenamtliche“ Präsidium der Aids-Hilfe Schweiz mit 50’000 Franken pro Jahr honorieren.

Hämische Kommentare, empörte Leserbriefe, gehässige Anrufe in Live-Sendungen… bis hin zur Drohung mit Spendenverzicht sind die Folge. Dürfen sich Präsidenten von spendensammelnden Hilfswerken mit Geld entlöhnen lassen? Oder gehört die absolute Unentgeltlichkeit zum besonderen Charme der Ehrenamtlichkeit?

Mit der zunehmenden Professionalisierung der NGO-Tätigkeiten, verbunden mit steigenden Anforderungen und Erwartungen an das Management solcher Organisationen, sind auch die Ansprüche gewachsen an jene, die das „oberste Organ“ präsidieren. Praktisch alle Hilfswerke haben heute eine Regelung der Aufwandsentschädigung ihrer (im Prinzip) ehrenamtlichen Organe, meist in Form von Spesen-Pauschalen. Die totale Freiwilligkeit, wie sie früher etwa beim Kindeshilfswerk Terre des hommes gelebt wurde, dessen Präsident ich von 2003 bis 2011 war, ist nicht mehr praktikabel und musste angepasst werden. Verglichen mit dem, was bei grossen Schweizer Hilfswerken heute Usus ist, bezieht Doris Fiala keine übertrieben grosse Abgeltung.

Ein anderes Faktum wurde mir beim Reflektieren dieser Causa allerdings bewusst: es gibt in der Schweiz – wenn ich die Zahlen richtig interpretiere – zurzeit etwa 25’000 Personen, die an AIDS erkrankt sind. Diese brauchen Hilfe in mancherlei Hinsicht, und es spricht nichts dagegen, dass sie ihnen auch gewährt wird. Der Bund unterstützt dafür die Aids-Hilfe Schweiz mit über 3 Millionen Franken. Etwa gleich hoch ist deren Personalaufwand. Deshalb lautet das relativierende Argument: das Fiala-Gehalt betrage lediglich 1,5 Prozent des Personalaufwandes.

Auf der andern Seite haben wir die chronische Krankheit Adipositas (BMI grösser als 30). An ihr leiden in der Schweiz rund 500’000 Menschen, von denen pro Jahr mehr als 1’000 unsere Dienste und unsere Beratung in Anspruch nehmen. Der Bund unterstützt dafür die Schweizerische Adipositas-Stiftung mit genau NULL Franken. Als ihr Präsident bezahle ich einen Viertel der monatlichen Büro-Miete selber, da ich die Infrastruktur ja auch für meine privaten Zwecke nutzen kann. Auch die Spesen übernehme ich selbst, weil sonst unser Budget, das praktisch ganz auf freiwillige Spenden und Gönnerbeiträge angewiesen ist, aus dem Lot käme.

Ich bin Doris Fiala daher dankbar, dass sie – wenn auch nicht ganz freiwillig – diesen Sachverhalt wieder mal ins Bewusstsein gerückt hat.