26/4  50 Prozent

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:52

Ein Nachtrag zur gestrigen Tagung. Eine weitere Zahl, die in der Erinnerung haften geblieben ist: von all den Medikamenten, die in der Schweiz durch Ärzte und Ärztinnen verschrieben werden, landen rund 50 Prozent im Abfall.

Die Hälfte der verschriebenen und zulasten der Krankenkasse bezogenen, von der Allgemeinheit also  bezahlten Präparate werden gar nicht eingenommen, sondern weggeschmissen (was ein böses Umwelt-Problem darstellt) oder nach Ablauf des Verfalldatums fachgerecht zur Entsorgung in die Apotheke zurück gebracht.

Ich habe in diesem Zusammenhang ein neues Wort gelernt: der Referent nannte dieses Verhalten (den Nicht-Gebrauch verordneter Medikamente) fehlende Adhärenz (früher sagten wir dem Compliance). Und es ist nicht auszudenken, welche Frankenwerte da insgesamt vernichtet werden! Natürlich trägt der Verkauf zum Wohlstand des Herrn Vasella und dessen Kollegen bei, unabhängig davon, ob die Substanzen noch den Umweg über einen menschlichen Körper machen müssen, ehe sie wieder ausgeschieden werden. Und ich spreche hier nicht von jenen Patienten, die ein bestimmtes Präparat wieder absetzen müssen, weil die Nebenwirkungen zu stark oder unerträglich sind.

Wo liegt das Problem? In der Ausbildung der Mediziner, die ein Medikament nur dann verschreiben sollten, wenn sie die Motivation verspüren, dieses auch einzunehmen? – Ich erinnere mich an meine eigenen jüngeren Jahre. Für mich war es Ehrensache, a) nicht zum Arzt zu gehen und b) wenn es sich denn gar nicht vermeiden liess doch zumindest seine Empfehlungen nicht zu befolgen… ich war stolz darauf, dass ich ausser bei hoem Feber einem Alcacyl sonst keinerlei Medikamente zu mir nahm.

Heute ist meine Adhärenz sehr gut entwickelt. Brav schlucke ich jeden Morgen meinen Cocktail aus 8 verschiedenen Pillen, zur Blutverdünnung, zur Senkung des Blutdrucks, gegen Gichterkrankung, fürs Magnesium, gegen das Cholesterin, zum Entwässern und dann noch ein Multivitamin-Präparat sowie gelegentlich ein Abführmittel… Wenn ich mal vergesse, den Medizin-Koffer auf Reisen mitzunehmen, befällt mich die Angst, ich könnte am Abend tot sein.

Ich habe keine Anung, ob ich übermedikamentiert bin odr nicht. Aber ich vertraue den Experten, die mich nach bestem Wissen und Gewissen verarzten. Und wenn ich probeweise etwas zu mir nehmen muss, was mir nicht bekommt, setze ich es nach Rüksprache mit dem Arzt geordnet wieder ab. Und mehr als die Hälfte dessen, was ich schlucke, sind Generika. Ich nehme also auf meine Kasse Rücksicht. Aber 50 Prozent der Pharma-Kosten verpuffen wirkungslos und ungenutzt. Ist dies die Macht des Placebo-Effekts?