2/12  In alter Frische

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:02

Es war ein rauschender Anlass, gestern. Grund war ein quasi runder Geburtstag im Freundeskreis. Man traf sich in einem kleinen privaten Kellerkino am Stadtrand, eine cinéastisch verschworene Gesellschaft, und führte sich einen raren Chaplin-Film aus der Frühzeit zu Gemüte mit den wahnwitzigen Action-Szenen, die damals in einer einzigen Kameraeinstellung und integral gedreht werden mussten. Dann folgte ein herzberührender Hollywood-Musicalfilm in leuchtendem Technicolor aus den Vierzigerjahren und das Ganze war ein Nostalgietrip der besonderen Güteklasse.

Anschliessend gings zum Jubilar heim, wo ein sympathisches Buffet wartete, unterlegt mit guten Gesprächen unter Menschen, die selber auch jedes Jahr ein Jahr älter werden. Und auch wenn sich einzelne nur in Intervallen sehen, so sieht man doch in erster Linie an den andern (und nicht an sich selber) wie die Zeit vergeht: plötzlich fällt einem auf, dass dieser kürzere Schritte nimmt, dass jene nur noch mühsam vom Sofa aufsteht um in die Küche zu gehen, dass ein anderer etwas eingenickt scheint in seinem Lehnstuhl, während andere wie immer eifrig debattieren und gemeinsame Erfahrungen austauschen.

Der Verlauf der Zeit, wie er sich in Menschen niederschlägt, die alle gemeinsam so alt geworden sind, dass sie mit Fug und Recht das eine oder andere Zipperlein haben dürfen… die einen sind immer noch fit und gelenkig, obwohl sie tüchtig dem Wein zusprechen und einen Glimmstängel nach dem andern verfeuern, während andere sich still bedienen lassen und ihre Bewegungen auf das notwendige Minimum reduzieren. Wichtig bleibt, dass man sich getroffen hat, dass man sich austauschen konnte und realisierte, es gibt sie noch, unsere Welt und das, was uns verbindet. Und es ist gut, dass es Anlässe gibt, sich gelegentlich wieder zu sehen, in dem, was wir für die alte Frische halten.