13/2  Rösslein hü!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:11

Während meiner Gymnasialzeit hatte ich eine spezielle Vorliebe. Jeweils am Freitag gab es in Bern an der Metzgergasse beim Pferdemetzger frischen, heissen Fleischkäse am Stück. Ich fuhr dann nach der Schule mit dem Fahrrad eine kleine Schlaufe in die Altstadt, an die Gasse, die damals noch einen redlichen Namen trug (sie wurde erst später edelfärberisch in „Rathausgasse“ umbenannt) und kaufte mir vom Taschengeld einen „Bitz“ des weichen, rosarot dampfenden, saftig tropfenden Fleischkuchens, den die Bedienung mit einer grossen Gabel aus dem Warmhaltebottich auf den Tresen hievte.

Mit dem Metzgermesser wurde ein schönes Stück heruntergesäbelt, auf die Waage gelegt, in Pergamentpapier und anschliessend in mehrere Lagen Zeitungspapier eingewickelt, damit es schön warm bleibe. Ich klemmte es auf meinen Gepäckträger und radelte stadtaufwärts, dann quer über den Bundesplatz auf die Bundesterrasse. Hier installierte ich mich auf einer Parkbank, faltete die Zeitung auseinander, schälte das nasse, vom Saft glibberige, kräftig duftende Fleischstück aus der Umhüllung – und biss herzhaft hinein.

Ich bin noch heute überzeugt, dass es nirgends einen besseren frischen Fleischkäse gibt als den von damals. Dass das Fleisch von Pferden stammte, machte uns nichts aus, im Gegenteil: es war etwas günstiger, das konnte man sich leisten, auch wenn man sonst nicht auf Rosen gebettet war. Und es war mit Sicherheit am gleichen Tag zubereitet.

Ich habe deshalb jetzt etwas Mühe mit der künstlich hochgezüchteten Igitt!!!-Empörung über den sogenannten „Pferdefleisch-Skandal“. Das ist ja nicht zu vergleichen mit der Geschichte von den abgelaufenen Frische-Daten oder der Gammelfleisch-Schmuggelei. Jetzt wird so getan, als sei das Pferdefleisch vergiftet und lebensbedrohlich…

Der Wahre Skandal ist hier nicht das Fleisch, sondern der absolut unsinnige Produktions-Prozess, bei dem eine Lebensmittel-Grundlage durch ganz Europa gekarrt wird, von Rumänien über Luxemburg, Frankreich nach England! Dass dieser Irrsinn an den Pranger gehörte, das wäre eine Schlagzeile wert. Die Pferde können nichts dafür.