7/8  Der Fettkloss

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:35

Es ist so eine richtige Saure-Gurken-Sommer-Meldung. 15 Tonnen aus Fett, Speiseresten und Papier haben in Londen die Kanalisation verstopft. Ein „Klumpen“, so gross wie einer der Londoner Doppeldecker-Busse. Man muss sich das vorstellen. Klebt der in einem tunnelgrossen Abwasserrohr und staut den Abfluss, so dass die braune Sosse zurück in die Häuser läuft… dadurch sei man erst überhaupt drauf gekommen.

Eine intakte Kanalisation ist für den Organismus Grossstadt so etwas wie das lebensnotwendige System der Venen, durch die das Blut wieder zurück zum Herzen fliesst… und nun leidet also der städtische Kreislauf auch schon an Venen-Verstopfung durch zuviel Fett! Dass man im Zusammenhang mit einem stau-bedingten Verkehrs-Kollaps von einen „Verkehrsinfarkt“ spricht, das haben wir längst zur Kenntnis genommen. Eine so massive Verfettung der Abwasserkanäle ist dagegen ein neues Phänomen.

Eingefleischte Fans der „Sendung mit der Maus“ wissen allerdings von den Nöten de Kanalarbeiter, die unter Tag in der stinkenden Brühe stehen und mit ihren Schaufeln und mit dem Druckrohr per Wasserstrahl die Fettschicht von den Kanalwänden zu entfernen versuchen, die sich dort immer wieder ansetzt. Es sind die Rückstände aus der Küche, die im Abwasch heiss gelöst werden, durchs Rohr in die Tiefe gurgeln, dort dann beim Auskühlen wieder zu harten Klumpen erstarren, die sich an Hindernissen im Untergrund festkleben…

Dass das Phänomen aber so gigantische Formen annehmen könnte, hat auch einen regelmässigen Maus-Adepten wie mich verblüfft. Und es hat uns bewusst gemacht, wie leichtfertig wir mit den Überresten unserer Nahrungsaufnahme umgehen. Ich erinnere mich an die Zeit vor sechzig Jahren: Onkel Alfred, in dessen Familie ich gelegentlich meine Ferien verbrachte, hatte in seiner Wohnung in Zürich immer den letzten technischen Schrei aus Amerika.

Dazu gehörte unter anderem ein automatischer Müllschlucker. Eine kinderkopfgrosse Öffnung in der Küchenspüle, in die man sämtliche Rüstabfälle und anderen Müll hineingeben konnte, dann wurde ein Knauf gedreht, die Öffnung verschloss sich und ein hochtouriges Mahlwerk begann zu sirren… Was immer sich in der Mühle befand, wurde zu feinsten Partikeln zerschreddert, ob organisch oder nicht, und unser kindlicher Exploratorendrang experimentierte mit sämtlichen Materialien, sie sich im Haushalt auftreiben liessen, von Karton über Holz und Plastic zu Glas bis zu leeren Konservendosen.

Damals gab es ja noch keine Kläranlagen, aber wir verloren keinen Gedanken daran, wo unser Mahlgut hingelangte und wer sch allenfalls noch damit zu befassen haben würde. Inzwischen ist man punkto Recycling immerehin etwas weiter. Die 15 Tonnen Fett aus der Kanalisation sollen, so liest man, wiederverwertet werden und der Menschheit als Seife oder Bio-Treibstoff nochmals nützlich sein.