2/11  Fleischeslust

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:59

Alle Jahre wieder, wenn am Morgen noch die Nebel über der Landschaft stehn, werden die Messer gewetzt. Zum Herbst gehört der Brauch, sich quasi rituell von den getöteten Tieren zu ernähren. Nicht nur per „Metzgete“, die jetzt von allen traditionsbewussten Verpflegungsstätten angeboten wird (in gehobenen Kreisen wird die Treberwurst gereicht und ein betörender Dunst von Schnapsbrennerei durchweht das Lokal), nein, in den meisten Etablissements ist man derzeit „wild auf Wild“, wie der werbewirksame Slogan auf der vorgedruckten Menükarte lautet.

Die Herkunft des Fleisches muss deklariert werden, so will es das Gesetz. Aber so viele Wildschweine, Rehe und Hirsche streifen bei uns nicht durch die Auen und Wälder, wie sie derzeit ausgebeint und zerstückelt in Töpfen und Saucen schmoren, in Pfannen brutzeln und mit Rotkohl und Spätzli auf die Teller kommen.

Da sind es denn meist massenimportierte Immigranten aus den alten Ostblock-Staaten, Schlepperbanden anheimgefallen, tiefgekühlt zuerst und wenn wir Pech haben aus Regionen stammend in denen sie mit dem Grünzeug auch ein wenig Cäsium und anderes aus Tschernobyl gefuttert haben, gerade wenig genug, dass es die Toleranzgrenze nicht übersteigt.

Was macht die Fasznation des saisonalen „Fremdfleisches“ aus? Ist es die spezielle Zubereitung, die den etwas strengeren Gechmack übertönen soll? Beim Pferdefleisch haben wir die Augen verdreht, als es unfreiwillig in die Lasagne kam, dabei ist es doch gesund und gilt für viele als Leckerbissen. Weshalb stört uns die Vorstellung nicht, dass wir den stolzen Eber verkosten, den mächtigen Hirsch mit seinem Geweih und das elegante Bambi..?

Mit den richtigen Exoten auf dem Tisch haben wir eher Mühe. Krokodilfleisch, Schlangenfilet, gebackene Insekten gar – da schaudert uns. Erst ans Straussenschnitzel haben wir uns ein wenig gewöhnt. Dabei ist der menschliche Organismus darauf ausgerichtet, alles zu vertilgen und zu seinem Vorteil auszuwerten, was Proteine und Nährsteoffe enthält, unbesehen seiner Herkunft.

Die Art der Zubereitung spielt sicher eine Rolle, Auge und Geschmackssinn essen mit und bestimmen, was wir mögen, ebenso die Tradition und die persönliche Erfahrung. Die Jagd hat schon immer den Menschen begleitet, auch nachdem er mehrheitlich aufgehört hatte, seine Beute selber zu erlegen… Wahrscheinich weckt der Wild-Verzehr die Erinnerung an alte Überlebens-Mechanismen und nährt das schöne Wissen, dass unsere Existenz wieder mal gesichert ist.