22/11  Plus-Size

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:36

Er wirkte selber ein wenig wattiert. Der junge Mann war schlagfertig und nicht auf den Mund gefallen. Mit Schwung war er auf den etwas erhöhten Stuhl geklettert und nun sass er dem Talkmaster gegenüber. Zwischen den beiden die Bildschirme, auf denen die Fragen zu sehen waren.

Es ging, wenn es gut ging, um eine Million. Günther Jauch stellte die Fragen. Dazwischen wollte er wissen, was der junge Mann so mache in seinem Leben. Er leite eine Model-Agentur, sagte dieser, und böte den Kunden einen Rundum-Service an, der keinen Wunsch offen lasse. Kinder-Models, junge Frauen aller Altersklassen, Senioren, ja sogar eine Spezialabteilung gebe es für Plus-Size-Models.

Günther Jauch tat ungläubig, als hätte er dieses Wort noch nie gehört. Gut, sagte der junge Mann, „dick“ könne man ja nicht gut sagen. Der Begriff bezeichne eben alles, was nicht der normalen Grösse entspreche, also alles über Grösse 38. Aber 38, das sei ja noch nicht so gross, wollte Jauch einwenden, aber der Agentur-Besitzer ging nicht mehr näher auf das Thema ein.

Und da sassen nun zuhause vor den Bildschirmen all die Menschen mit Grösse 39 und mehr (und das dürfte eine sichere, koalitionsfähige Mehrheit sein), und wusste mit einem Mal, woran sie waren: sie waren DICK, aber man durfte es nicht so sagen. Drum versteckte man die Wirklichkeit hinter einem harmloseren Begriff, der erst noch einen positiven Unterton hatte: „PLUS“, das ist etwas Zusätzliches, ein Mehrwert gewissermassen, fast schon wie ein Lottogewinn… und „SIZE“, das ist ein schönes Wort aus einer anderen Sprache, klingt zwar – wie jede Hausfrau weiss – ein wenig nach Speisefett, aber ist letztlich doch etwas Gutes.

Es hätte uns natürlich ineressiert, noch mehr zu erfahren. Wie oft denn diese speziellen Models gebucht werden, für welche Aufgaben vor allem, ob ihre Tarife die gleichen sind wie die der „normalen“, oder ob sie mehr kosten, weil sie auch mehr mitbringen? Günther Jauch kam nicht mehr dazu, solche Fragen zu stellen. Vielleicht war ihm auch weniger daran gelegen als uns, so etwas in Erfahrung zu bringen. Wozu auch? Aber wenigsten hatte er einen neuen Begriff gelernt.